Druckartikel: Privatisierung: Wem gehört das Wasser?

Privatisierung: Wem gehört das Wasser?


Autor: Ulrike Müller

Bad Brückenau, Samstag, 20. April 2013

Mit einer neuen Richtlinie will die EU den Markt der Trinkwasser-Versorgung liberalisieren. Bayerische Kommunen laufen dagegen Sturm. Auch der Stadtrat Bad Brückenau will protestieren. Ist das Brückenauer Heilwasser in Gefahr? Stadtwerke-Chef Günter Schneider klärt auf...
Der Trinkwasser-Speicher in Römershag ist gut gefüllt. Dafür sorgen die Stadtwerke Bad Brückenau. Foto: Ulrike Müller


Saale-Zeitung: Herr Schneider, was hat es mit der geplanten Privatisierung der Trinkwasser-Versorgung eigentlich auf sich?
Günter Schneider: Es geht um die Ausschreibungspflicht der Dienstleistung Trinkwasser-Versorgung. Diese Ausschreibung, die Kommunen bisher an ihre eigenen Wasserversorger vergeben haben, soll nun möglichst europaweit ausgeschrieben werden, um den Markt zu

liberalisieren.

Und wo liegt das Problem?
Deutschland hat eine besondere Struktur: Die Trinkwasser-Versorgung ist sehr kleinteilig organisiert. In anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich gibt es große Unternehmen, die die Wasserversorgung gewährleisten. Aber wir brauchen eine Sonderlösung für Deutschland, damit unsere Struktur nicht zerschlagen wird.

Was ist der Hintergrund dieser Richtlinie?
Man will erreichen, dass der Wettbewerb auch auf dem Wasser-Sektor greift. Im Grunde geht es darum, niemanden einen Vorteil auf dem Markt zu bieten. Beim Thema Energie wurde das ja schon gnadenlos durchgezogen. Aber Wasser ist ein Lebensmittel, keine Ware. Man kann diesen Wettbewerbs-Gedanken nicht auf ein Lebensmittel übertragen, denn das hat negative Folgen für die Kunden.

Wo liegen die Nachteile?
Die Trinkwasser-Versorgung ist eine langfristige Angelegenheit, da muss man Investitionen lange planen. Ein gewinnorientiertes Unternehmen schaut in der Regel aber nicht auf langfristige Ergebnisse, da zählt eher der kurzfristige Erfolg. Und das ist das Manko.

Betrifft die neue Richtlinie auch Bad Brückenau?
Wir sind natürlich als Trinkwasser-Versorger auch betroffen. Mit den Stadtwerke ist die Trinkwasser-Versorgung in ein eigenes Unternehmen ausgegliedert worden. Das heißt, wenn die Stadt die Trinkwasser-Versorgung ausschreiben sollte, müsste sie das in Zukunft europaweit tun. Allerdings haben wir gerade erst zum Jahreswechsel neue Konzessionsverträge abgeschlossen, die 20 Jahre gelten. Das wird also erst im Jahr 2032 wieder relevant.

Gibt es da keine Ausnahmen?
Es gibt eine Einschränkung: Wenn eine Kommune ein Unternehmen hat, das ausschließlich die Wasserversorgung für diese Kommune macht, dann ist die Ausschreibungspflicht aufgehoben. Die Grenze liegt bei 80 Prozent des Umsatzes. Bei den Stadtwerke ist das nicht der Fall. Die Trinkwasser-Versorgung macht lediglich 10 Prozent unseres Umsatzes aus, also etwa eine Million.

Wie sieht es denn mit den anderen Kommunen der Rhönallianz aus?
Die anderen Kommunen der Rhönallianz regeln ihre Trinkwasser-Versorgung noch selbst. Deshalb sind sie von der neuen Richtlinie nicht betroffen. Rein theoretisch wäre das auch eine Möglichkeit für Bad Brückenau: Man müsste die Trinkwasser-Versorgung wieder der Stadt übertragen. Das wäre natürlich mit einem gewissen Verwaltungsaufwand verbunden.

Macht die EU-Richtlinie Ihrer Meinung nach Sinn?
Im Moment geht's in Europa in die Richtung, dass dem Wettbewerb alles geopfert wird. Teilweise mag das schon Sinn machen. Aber hier wird oftmals das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Der Wettbewerb richtet nicht alles. Der Wettbewerb denkt sehr kurzfristig und macht gute, gewachsene Entwicklungen auch kaputt. Da muss man etwas sensibler an einzelne Bereiche rangehen. Ich befürchte, dass hinter diesem Wettbewerb-Druck große Konzerne stehen, die mit Hilfe ihrer Lobbyisten wichtige Entscheidungen beeinflussen.

Was kann der normale Bürger tun, um gegen die EU-Richtlinie zu protestieren?
Jeder kann sich übers Internet in Listen eintragen, um dem Anliegen eine breite Basis zu geben. Es geht darum, zu sagen: Nein, wir als Deutsche wollen diese Richtlinie nicht.

Und was ist mit dem Brückenauer Heilwasser? Droht hier Gefahr?
Nein. Das Heilwasser kommt ja aus viel tieferen Quellen. Wir speisen unsere Trinkwasser-Versorgung zu 100 Prozent aus dem Grundwasser. Da gibt es drei Brunnen nord-östlich von Römershag, aus denen das Wasser gepumpt wird.

Eine letzte Frage: Wem gehört eigentlich das Grundwasser?
Tja, das ist die Frage. Wir sagen: Das Wasser gehört allen. Aber der Konzern-Chef von Nestlé zum Beispiel sagt: Wasser ist eine Ware.


Das Gespräch führte Redakteurin Ulrike Müller