Mit einer neuen Richtlinie will die EU den Markt der Trinkwasser-Versorgung liberalisieren. Bayerische Kommunen laufen dagegen Sturm. Auch der Stadtrat Bad Brückenau will protestieren. Ist das Brückenauer Heilwasser in Gefahr? Stadtwerke-Chef Günter Schneider klärt auf...
Saale-Zeitung: Herr Schneider, was hat es mit der geplanten Privatisierung der Trinkwasser-Versorgung eigentlich auf sich? Günter Schneider: Es geht um die Ausschreibungspflicht der Dienstleistung Trinkwasser-Versorgung. Diese Ausschreibung, die Kommunen bisher an ihre eigenen Wasserversorger vergeben haben, soll nun möglichst europaweit ausgeschrieben werden, um den Markt zu
liberalisieren.
Und wo liegt das Problem?Deutschland hat eine besondere Struktur: Die Trinkwasser-Versorgung ist sehr kleinteilig organisiert. In anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich gibt es große Unternehmen, die die Wasserversorgung gewährleisten. Aber wir brauchen eine Sonderlösung für Deutschland, damit unsere Struktur nicht zerschlagen wird.
Was ist der Hintergrund dieser
Richtlinie?Man will erreichen, dass der Wettbewerb auch auf dem Wasser-Sektor greift. Im Grunde geht es darum, niemanden einen Vorteil auf dem Markt zu bieten. Beim Thema Energie wurde das ja schon gnadenlos durchgezogen. Aber Wasser ist ein Lebensmittel, keine Ware. Man kann diesen Wettbewerbs-Gedanken nicht auf ein Lebensmittel übertragen, denn das hat negative Folgen für die Kunden.
Wo liegen die Nachteile?Die
Trinkwasser-Versorgung ist eine langfristige Angelegenheit, da muss man Investitionen lange planen. Ein gewinnorientiertes Unternehmen schaut in der Regel aber nicht auf langfristige Ergebnisse, da zählt eher der kurzfristige Erfolg. Und das ist das Manko.
Betrifft die neue Richtlinie auch Bad Brückenau?Wir sind natürlich als Trinkwasser-Versorger auch betroffen.
Mit den Stadtwerke ist die Trinkwasser-Versorgung in ein eigenes Unternehmen ausgegliedert worden. Das heißt, wenn die Stadt die Trinkwasser-Versorgung ausschreiben sollte, müsste sie das in Zukunft europaweit tun. Allerdings haben wir gerade erst zum Jahreswechsel neue Konzessionsverträge abgeschlossen, die 20 Jahre gelten. Das wird also erst im Jahr 2032 wieder relevant.
Gibt es da keine Ausnahmen?Es gibt eine
Einschränkung: Wenn eine Kommune ein Unternehmen hat, das ausschließlich die Wasserversorgung für diese Kommune macht, dann ist die Ausschreibungspflicht aufgehoben. Die Grenze liegt bei 80 Prozent des Umsatzes. Bei den Stadtwerke ist das nicht der Fall. Die Trinkwasser-Versorgung macht lediglich 10 Prozent unseres Umsatzes aus, also etwa eine Million.
Wie sieht es denn mit den anderen Kommunen der Rhönallianz aus?Die anderen
Kommunen der Rhönallianz regeln ihre Trinkwasser-Versorgung noch selbst. Deshalb sind sie von der neuen Richtlinie nicht betroffen. Rein theoretisch wäre das auch eine Möglichkeit für Bad Brückenau: Man müsste die Trinkwasser-Versorgung wieder der Stadt übertragen. Das wäre natürlich mit einem gewissen Verwaltungsaufwand verbunden.
Macht die EU-Richtlinie Ihrer Meinung nach Sinn?Im Moment geht's in
Europa in die Richtung, dass dem Wettbewerb alles geopfert wird. Teilweise mag das schon Sinn machen. Aber hier wird oftmals das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Der Wettbewerb richtet nicht alles. Der Wettbewerb denkt sehr kurzfristig und macht gute, gewachsene Entwicklungen auch kaputt. Da muss man etwas sensibler an einzelne Bereiche rangehen.
Ich befürchte, dass hinter diesem Wettbewerb-Druck große Konzerne stehen, die mit Hilfe ihrer Lobbyisten wichtige Entscheidungen beeinflussen.
Was kann der normale Bürger tun, um gegen die EU-Richtlinie zu protestieren?Jeder kann sich
übers Internet in Listen eintragen, um dem Anliegen eine
breite Basis zu geben. Es geht darum, zu sagen: Nein, wir als Deutsche wollen diese Richtlinie nicht.
Und was ist mit dem Brückenauer Heilwasser? Droht hier Gefahr?Nein. Das Heilwasser kommt ja aus viel tieferen Quellen. Wir speisen unsere Trinkwasser-Versorgung zu 100 Prozent aus dem Grundwasser.
Da gibt es drei Brunnen nord-östlich von Römershag, aus denen das Wasser gepumpt wird.
Eine letzte Frage: Wem gehört eigentlich das Grundwasser?Tja, das ist die Frage. Wir sagen: Das Wasser gehört allen. Aber der Konzern-Chef von Nestlé zum Beispiel sagt: Wasser ist eine Ware.
Das Gespräch führte Redakteurin Ulrike Müller
Das Thema ist kein Neues, daher ist es umso erstaunlicher, dass es nicht schon lange breiter diskutiert wird. Hier z B. ein Bericht aus 2011, http://konsumpf.de/?p=11303 , der das Thema aufgreift. Oder einfach in einer Suchmaschine "Nestlé Patent Wasser" eingeben und selber informieren.
Die Versetzung von Trinkwasser bereits in irdischen Speichern ist. z. B. seit Jahren angedacht. Na und? Wer sich dann mal in die Materie einließt, wird erfahren, dass dann kein Naturprodukt mehr an die Oberfläche sprudelt, es handelt sich vielmehr um eine von Menschenhand hergestellte Ware, welche auch Patentfähigkeit aufweist.
Soll es uns in Deutschland mit dem Wasser so ergehen, wie die Bauern z. B. schon abhängig von Monsanto sind? Hellhörig werde ich immer dann, wenn eigentlich hoheitliche Aufgaben von der EU auch im ganzen Gebiet ausgeschrieben werden sollen. Nicht zuletzt wird hier eine Struktur verkauft, welche durch den Bürger (dieser ist der wahre Inhaber städtischer Anlagen!) bereits bezahlt wurde. Und nun sollen die Konzerne die Peripherie abgreifen, die Standards herabsetzen und dafür die Gewinne maximieren dürfen? Wurde aus dem Strommarkt keine Lehre gezogen? Ich will mein Wasser weiterhin in erstklassiger Ausführung von der SÜC und nicht meine Rechnung an Nestlé etc. bezahlen müssen.