Am Morgen des 5. November 2019 will sich Francesco Kracht mit seiner Freundin auf den Weg nach Schweinfurt in sein neues Ladengeschäft am Marktplatz machen. Als die beiden ihre Wohnung in Würzburg verlassen und vor die Haustür treten, spricht sie ein Postbote an. Er fragt Kracht, wer er sei, und als dieser Auskunft gibt, sind acht Zivilpolizisten um sie herum. Auch der angebliche Postbote ist einer.
Die beiden jungen Leute werden zurück in die Wohnung gedrängt - es ist die Wohnung der Freundin. Kracht muss sich bis auf die Unterhose entkleiden, wird gründlichst durchsucht. Handys, Laptop, Ordner, Unterlagen - alles wird beschlagnahmt. Was nicht mitgenommen wird, liegt anschließend in der Wohnung völlig durcheinander herum.
In Schweinfurt und Würzburg: Durchsuchungen fränkischer Hanfläden
So schildert der 23-jährige Inhaber des "Cannameleon"-Ladens am Schweinfurter Marktplatz, wie die Polizei an diesem Morgen verhindert hat, dass er sein Geschäft aufschließen und Kunden bedienen kann. Vielmehr brachten ihn die Beamten zur Kripo. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss sei ihm erst in der Kripo-Abteilung K7, auf der Wache sozusagen, gezeigt worden, sagt Kracht. In der Wohnung habe es noch geheißen: "Warum wollen Sie den denn sehen?"
Zeitgleich wurden die beiden Würzburger "Cannameleon"-Läden des Firmengründers Lukas Schwarz und auch dessen Wohnung durchsucht. Ein weiterer Trupp Beamter machte sich daran, das Schweinfurter "Cannameleon" am Marktplatz zu durchsuchen. "Sie haben alles mitgenommen", sagt Betreiber Kracht, "Blüten, Hanf-Lebensmittel, Öle, Pulver, Kapseln, alles, was mit CBD zu tun hat, sogar Nahrungsergänzungsmittel wie Multivitamintabletten für Kinder". Dazu Handys und Computer, auch deshalb waren die Ladenbetreiber für Nachfragen längere Zeit nicht erreichbar. Für die komplette Razzia seien wohl 80 Polizisten im Einsatz gewesen, schätzt Francesco Kracht.
Und wozu dieser Aufwand? Laut Polizei und Staatsanwaltschaft Würzburg hätten die in den Läden verkauften Teesorten kein "legales Cannabis" (CBD ohne Rauschwirkung) enthalten, sondern Wirkstoffgehalte zwischen 0,16 Prozent und 0,3 Prozent psychoaktives Tetrahydrocannabinol (THC). Deshalb habe die Staatsanwaltschaft Durchsuchungsbeschlüsse für die Geschäfte in Würzburg und Schweinfurt sowie für die Wohnungen der Beschuldigten erwirkt. Die Betreiber der Läden und die Grüne Jugend Würzburg kritisierten die Razzien als völlig überzogen und absurd.
Umsatzausfall
Wie die Polizei darauf kommt, dass bei ihm illegales Hanf verkauft würde, weiß der Schweinfurter "Cannameleon"-Betreiber bis heute nicht. Er habe 70 000 Euro investiert, um einen Laden für "saubere" CBD-haltige Produkte zu führen. "Wie bescheuert müsste ich sein, wenn ich darin THC-Cannabis anbieten würde?" Er hat auch Öle, Salben, Lollis und Schokolade im Sortiment. Nach der Razzia fehlten ihm Waren im Wert von rund 4000 Euro, ein neues Handy, ein Laptop, so Kracht. Mit Umsatzausfall und dem Umstand, dass er eineinhalb Wochen ohne Ware dastand, belaufe sich der wirtschaftliche Schaden auf rund 10 000 Euro. Durchsucht worden seien nur die "Cannameleons" in Würzburg und Schweinfurt, der Laden in Leipzig - im Freistaat Sachsen - dagegen nicht.
Polizei: Ermittlungen dauern an
Auf Anfrage teilte das Polizeipräsidium mit, die Ermittlungen der Kripo Würzburg zu den Durchsuchungen in den "Cannameleon"-Läden seien noch nicht abgeschlossen. Auch die "Auswertung der sichergestellten umfangreichen Asservate dauert noch einige Zeit". Gutachten zum THC-Gehalt der Asservate lägen ebenfalls noch nicht vor. Wann dies der Fall sein könnte, könne noch nicht gesagt werden.