Maßbach
Historie

In Maßbach: Jüdische Geschichte wird lebendig

Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel besuchte im Rahmen seiner Sommertour durch Unterfranken jüdische Stätten in Maßbach. Gästeführer Klaus Bub hat maßgeblich die Geschichte der Juden von Maßbach rekonstruiert.
41 Gräber hat der jüdische Friedhof von Maßbach, erfuhr Bezirkspräsident Erwin Dotzel (Mitte). Foto: Eckhard Heise
41 Gräber hat der jüdische Friedhof von Maßbach, erfuhr Bezirkspräsident Erwin Dotzel (Mitte). Foto: Eckhard Heise
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Die Aufarbeitung der jüdischen Vergangenheit nimmt in Maßbach einen besonderen Stellenwert ein. Davon überzeugte sich jetzt Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel bei seiner Sommertour durch Unterfranken. Die Marktgemeinde hat und pflegt nicht nur einen jüdischen Friedhof, sie beherbergt auch noch ein jüdisches Museum und betreibt neuerdings einen Audiowalk, der etwas über den Alltag der jüdischen Bevölkerung erzählt. Als Gästeführer betätigte sich Klaus Bub, der maßgeblich die Geschichte der Juden von Maßbach rekonstruiert hat.

41 jüdische Gräber auf dem Areal

Erste Station bei schweißtreibenden 30 Grad ist der Friedhof an einem Hang am Rande der Bebauung. 41 Gräber befinden sich auf dem schattigen Areal, das letzte stammt ungewöhnlicherweise aus dem Jahre 1945. Eigentlich waren Begräbnisse von den Nazis schon weit früher untersagt worden. Zudem waren alle Maßbacher Juden, die nicht zuvor fliehen konnten, Opfer des Holocausts geworden. Der jüngste Grabstein geht auf ein besonderes Ereignis zurück.

Beim Einmarsch der Amerikaner saß auf einem Panzer ein aus Maßbach stammender junger Jude, erzählt Bub. Beim Besuch des jüdischen Friedhofs stellte er fest, dass für seine Mutter kein Grabstein vorhanden war. Also ließ er einen anfertigen und sorgte so für den 41. Gedenkstein.

Unter den Grabsteinen befindet sich auch der von Leo Katzenberger, der nach einem Schauprozess in Nürnberg hingerichtet wurde, und dessen Geschichte in dem von Joseph Vilsmaier gedrehten Film "Leo und Claire" mit Michael Degen, Suzanne von Borsody, Axel Milberg und Andrea Sawatzki festgehalten ist.

Ein Drittel der bayerischen Gräber in Unterfranken

Der Friedhof ist erst um 1900 angelegt worden, fährt Bezirksheimatpfleger Klaus Reder fort. Zuvor fanden die Begräbnisse auf dem Bezirksfriedhof in Kleinbardorf statt, wo über 4000 Grabsteine gezählt wurden. Sämtliche Grabsteine im Freistaat werden gerade in einem Register vom Landesamt für Denkmalschutz erfasst. Dabei kam auch zutage, dass ein Drittel der bayerischen Gräber sich in Unterfranken befindet.

Audiowalk mit zehn Haltepunkten

Auf dem Weg zum Museum demonstriert Riccardo Altieri, Geschäftsführer des Johanna-Stahl-Zentrums Würzburg, die Funktionsweise des Audiowalk. Zehn Haltepunkte sind dazu in Maßbach angebracht. An jedem kann die dazu gehörige Bandaufnahme mit einem speziellen Abspielgerät oder über eine App auf dem Handy aufgerufen werden. In den zehn Episoden schildert eine fiktive jüdische Einwohnerin den Alltag in der Marktgemeinde vor der Machtergreifung der NSDAP. Behilflich waren dabei Schauspieler des Theaters, sodass die Gesamtaufnahme von etwa 90 Minuten zu einem professionell gestalteten Hörspiel geworden ist.

Ein einmaliges Zeugnis jüdischer Kulturgeschichte stellt das Museum in einer ehemaligen Synagoge dar. Dass die Sammlung überhaupt existiert, verdankt die Einrichtung gleich einer Reihe von Zufällen, berichtet Klaus Bub, der wiederum federführend den Aufbau vorangetrieben hat.

Dass es die Gebetsstätte gibt, sei ihm bis in die 1990er Jahre gar nicht bewusst gewesen. Durch Zufall stieß er auf das Gebäude, das 1945 verkauft und zu Wohnungen und einer Werkstatt umgebaut worden war. Die ursprüngliche Funktion war nur noch in einem Raum erkennbar. Diesen Raum staffierte Bub mit rituellen Gegenständen aus, die er im Laufe der Jahre zusammengetragen hatte, darunter auch eine Torarolle, eine historische jüdische Bibel.

Besonderer "Schatz", eine Genisa

2009 entdeckte Bub dann beim Stöbern auf dem Dachboden einen ganz besonderen "Schatz", eine Genisa, ein Aufbewahrungsort für nicht mehr benötigte religiöse Gegenstände und Schriften, die für die Rekonstruktion von jüdischen Leben und Glauben von unschätzbarer Bedeutung sind, wie Riccardo Altieri bestätigt. Die ältesten Dokumente gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück und sind teilweise als Kopien im Museum zu sehen. Das Gebäude hat inzwischen die Gemeinde aufgekauft, um es in einem Entwicklungskonzept des Altorts zu integrieren.