Die gesetzlichen Verschärfungen nach dem Volksbegehren zum Artenschutz trifft die Bauern ins Mark. Schutzstreifen sind auch an Gräben vorgesehen, die überhaupt kein Wasser führen. Auch Gartenbesitzer sind betroffen.
Eins gleich vorweg: "Ich habe auch als Landwirt nichts gegen die Grünstreifen entlang von Fließgewässern, wie die Lauer", sagt Dieter Petsch. Der stellvertretende Obmann des BBV-Ortsverbandes Münnerstadt, der seit 30 Jahren ökologische Landwirtschaft betreibt, hat aber sehr wohl etwas gegen die Einrichtung von den fünf Meter breiten Gewässerrandstreifen an Gräben, die überhaupt kein Wasser führen. Er rät dringend allen Landwirten, die Grabenkartierung abzurufen und gegebenenfalls Einwände beim Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen einzureichen. Dort, so versichert die stellvertretende Behördenleiterin Birgit Imhof, werden die Einwendungen einzeln geprüft.
Dieter Petsch hat zusammen mit dem Münnerstädter BBV-Obmann Lindhorst Gehring einen Aufruf gestartet. "Aufgrund des Volksbegehrens zum Artenschutz sind nun tief eingreifende gesetzliche Maßnahmen getroffen worden. Der jetzt gesetzlich vorgeschriebene Gewässerrandstreifen in Bayern betrifft das Eigentum und den Bewirtschafter", heißt es darin "Das ist das Neue daran, dass es nun auch die Eigentümer betrifft", sagt Dieter Petsch. Denn Landwirte werden wohl kaum eine Pacht für einen fünf Meter breiten Streifen entlang von Gräben bezahlen, auf denen sie rein gar nichts anbauen dürfen.
"Wir sprechen von einer stillen Enteignung", sagt Edgar Thomas, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes dazu. Auch er kennt genügend Beispiele. "Die Karten passen nicht", sagt er. So sei ein Gewässer kartiert worden, das seit langer Zeit verrohrt ist. In einem anderen Fall verlaufe ein Fließgewässer auf der Karte so, dass es in der Realität mitten durch ein Haus verlaufen würde. Das gehe gar nicht. Auch der Kreisobmann gibt sich realistisch. "Wir wollen eine ordentliche Geschichte daraus machen, das Volksbegehren hat gewonnen, also wird es umgesetzt." Aber er übt Kritik an den zuständigen Behörden, weil die Karten nicht stimmen. "So kann man uns Bauern ärgern." Weil es diese Unstimmigkeiten gibt, sollte man die Umsetzung um ein Jahr verschieben, regt Edgar Thomas an. Er rät den Landwirten ebenfalls, sich die Karten über das Informationssystem "IBALIS" anzusehen und sich gegebenenfalls an das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen zu wenden. Der Bauernverband hat bereits ein Musterschreiben erstellt.
In Münnerstadt ist die Stimmung ausgesprochen schlecht. Lindhorst Gehring erinnert an die Flurneuordnung im Jahr 1978. Schon damals mussten die Landwirte 10,3 Prozent ihrer Flächen abgeben. Letztendlich habe die Stadt so 112 Hektar Wege bekommen. Und jetzt würden die Landwirte wieder enteignet. Lindhorst Gehring kann es sich nicht verkneifen, Parallelen zu Vorgehensweisen in kommunistischen Staaten zu ziehen. Er zeigt auf die vielen Grünflächen auf seinem Hof. "Das machen wir doch alles freiwillig", sagt er.
Und erst recht Dieter Petsch. Schon vor 30 Jahren ist er auf ökologische Landwirtschaft umgestiegen, er ist Vorreiter bei verschiedenen Naturschutzprojekten gewesen, wie beispielsweise dem Wiesenbrüterprogramm. Erosionsschutzstreifen an Hauptgewässern sind für ihn eine Selbstverständlichkeit. Aber mit den Gewässerrandstreifen an den Gräben kann er sich absolut nicht anfreunden. "Viele Bürger, die das Volksbegehren für den Artenschutz unterstützt haben, wussten offensichtlich nicht, was sie unterschrieben haben", sagt er. "Die Wenigsten haben eigene Konsequenzen zu erwarten, sie unternehmen nach wie vor Fernreisen und fahren mit dem Kreuzfahrtschiff, während der Landwirt oder der Grundstückseigentümer die aus dem verschärften Gesetz resultierenden Schäden zu tragen hat."
Es sei unstrittig, dass es offensichtlich einen Insekten- und Artenrückgang zu beobachten gebe. "Angesichts der Rekord-Honigernte trifft es die Nutzbiene, die der Aufhänger für das Volksbegehren war, jedoch kaum. Der Artenrückgang in Wald- und Naturschutzgebieten lasse sich ebenfalls nicht durch die Bewirtschaftung erklären. "Statt mit willkürlichen Gesetzen zu antworten, wäre eine umfangreiche Ursachenforschung erforderlich. Die massiven Auswirkungen auf den Artenrückgang durch den Verkehr, Lichtverschmutzung oder Funknetzabdeckung bleiben ohne Konsequenzen", betont Dieter Petsch.
Im konkreten Fall sei ein bis an die Ufer von "echten" Fließgewässern reichendes Nutzungsverbot noch hinzunehmen, obwohl beispielsweise bei einer biologischen Bewirtschaftung keinerlei synthetische Düngemittel und chemische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen. Ein derartiges Umspringen der bayerischen Staatsregierung und des Landtages mit den Bürgern vor Ort treibe einen weiteren Keil zwischen die Bevölkerung und die Landwirtschafter und werde dazu beitragen, dass die rechten und linken Ränder der Politlandschaft gestärkt werden, ist Dieter Petsch überzeugt. "In Münnerstadt gehört die Gemarkung etwa 500 Eigentümern, von denen viele vom vorgeschriebenen Gewässerrandstreifen betroffen sind. Die fehlerhafte Kulisse der Wasserwirtschaftsverwaltung ist zu korrigieren und nur auf ,echte' Gewässer anzuwenden", fordert er.