Bad Kissingen
Interview

Landkreis Bad Kissingen: Berufsverbot für die Liebe

Ein Geistlicher, dem Zölibat verpflichtet, verliebt sich, wendet sich an seinen Vorgesetzten und erhält Berufsverbot. Nun veröffentlichten er und seine Frau ein Buch.
Dr. Philipp Tropf und Bettina Tropf sind seit Oktober 2019 verheiratet. Fotos: Philipp Tropf
Dr. Philipp Tropf und Bettina Tropf sind seit Oktober 2019 verheiratet. Fotos: Philipp Tropf
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Dr. Philipp Tropf war gerne Priester. Er arbeitete von 2014 bis 2016 in Schondra und Oberleichtersbach als Pastoralpraktikant, Diakon und Kaplan. Zeitweilig war er auch in Riedenberg, Oberbach und Wildflecken tätig. Ein Gespräch mit ihm über das Buch und die Gründe, warum sich die katholische Kirche nicht verändert.

Herr Tropf, Sie sprechen im Buch von schlechten Ausbildungsbedingungen, schildern wie Sie finanziell allein gelassen wurden, teils sogar zur Aufnahme eines Kredits gedrängt wurden. Wie haben Sie die Zeit in Schondra und Oberleichtersbach empfunden?

Philipp Tropf: Ausgesprochen ambivalent. Ich mag die Herzlichkeit der Menschen in der Rhön. Bei mir hat es sofort gefunkt, von Anfang an war es eine unvergleichliche Liebesgeschichte zu den Menschen, ich wollte mitten unter ihnen sein. Es gibt keinen Verein, zu dem ich nicht einen Bezug hatte. Ich war bei der Feuerwehr, beim Fußball, bei der örtlichen Jägervereinigung. Wir haben Romreisen gemacht. Die Zeit in der Rhön war eine ganz wunderbare Zeit. Das heißt aber nicht, dass das andere, was ich im Buch beschrieben habe, nicht stattgefunden hat. Es gibt auch nicht ganz so erfreuliche Erinnerungen, die bei mir abgespeichert sind.

Eine Ihrer Praktikumsstellen beschreiben Sie mit drastischen Worten. Den dortigen Pfarrer schildern Sie im Buch als verschlossen, verklemmt und kontaktscheu.

Wir haben bislang keine Namen genannt und wollen das auch nicht tun. Bis auf einen Namen: Pfarrer Gerhard Götz, er ist für mich eine Lichtgestalt gewesen, ein positives Gegengewicht. Wir nennen sonst keine Namen, um die Menschenwürde zu bewahren. Das Buch soll kein persönlicher Rachefeldzug sein, gleichwohl trauen wir den Lesern die Auffassungsgabe zu, einzuschätzen, um wen es da gehen könnte. Zumal jeder in der Umgebung seine eigenen Erfahrungen gemacht hat.

Was ist für Sie die Kernaussage des Buches?

Das Buch hat mehrere Ebenen. Zum einen die persönlichen Erfahrungen, die wir gemacht haben. Außerdem gibt es einen dialogischen Wechsel im Buch zwischen mir und meiner Frau.Das ist wichtig, denn die weibliche Sicht der Dinge wird oft vernachlässigt.Dann gibt es außerdem die dogmengeschichtliche, kirchliche Ebene. Diese hat als innovativen Kern die Reformunfähigkeit der Kirche. Die Kirche will und kann sich nicht ändern. Von den Würdenträgern werden aber Hoffnungen geschürt. Das ist unredlich.

Was meinen Sie damit?

Es gibt so Sätze wie "Wer sich von der Kirche entfernt, fällt vom Glauben ab". Das Buch soll dazu helfen, den Glauben von der Institution zu trennen. Es gibt Leute, die arbeiten sich am System Kirche ab und werden immer wieder enttäuscht. Wenn Johannes Paul II. [Anmerkung der Red.: Papst von 1978 bis 2005] sagte, es wird keine Weihe von Frauen geben, dann wird es das nicht geben. Wenn Papst Franziskus darauf angesprochen wird, dann stimmt er dem zu und sagt, alles bleibe so. Auf der anderen Seite sagt Franziskus: Wir tun etwas für Veränderungen. Da wird dann auf der Amazonas-Synode diskutiert. Im päpstlichen Schreiben nach der Synode heißt es dann aber, das alles so bleibt. Und das, nachdem die katholische Welt monatelang den Atem angehalten hat.

Zölibat, Frauenweihe, Kindesmissbrauch... Warum kann ein Papst sich nicht von den Äußerungen seiner Vorgänger lösen?

Wir müssen unterscheiden zwischen einem demokratisch aufgestellten Gesetz und einem Dogma. Ein Gesetz kann durch Parlamente aufgestellt und wieder verändert werden. Ein Dogma meint "Glaubenswahrheiten", die zeitlos gültig sind.

Warum ist das Unfehlbarkeitsdogma dabei entscheidend?

Auf Drängen des Ersten Vatikanischen Konzils ist 1870 das Unfehlbarkeitsdogma unter Papst Pius IX entstanden. Der Kirche drohte die Gefahr, an Macht zu verlieren. Die Aufklärung war auf ihrem Höhepunkt, das moderne Wissen wurde den Menschen zugänglich gemacht.Es gab einen Eid, den alle katholischen Würdenträger ablegen mussten, dass sie gegen den Liberalismus sind, gegen die Demokratie. Zu jener Zeit dachte man seitens der Kirche, man schafft hier etwas Tolles. Das Dogma sollte die Unanfechtbarkeit der Kirche festigen. In Wirklichkeit war es ein absoluter Genickbruch. Sobald ein Papst an einem Dogma rüttelt, wird er sofort exkommuniziert.

Sie beschreiben, dass Sie sich lang damit beschäftigt haben, bevor sie die Liebe zu Bettina bekannt machten. Welche Gedanken haben Sie während des Entscheidungsprozesses begleitet?

Das ist eine sehr diskrete, private Angelegenheit. Dabei würden wir es gerne belassen. Für mich gelten bestimmte ethische Grundsätze : Authentizität, Aufrichtigkeit und Nächstenliebe. Irgendwann gab es den Moment, da war klar, dass es nicht mehr anders geht. Das war keine einfach Entscheidung, auch für meine Frau nicht.

Nachdem Sie sich offenbart hatten, dass Sie Bettina lieben und mit ihr leben wollen, schildern Sie im Buch, dass Sie innerhalb von 24 Stunden suspendiert waren, auf den Tag genau keine Bezüge und ein sofortiges Berufsverbot erhielten. Es folgten stundenlange Anhörungen, Pressekampagnen ...

Man muss unterscheiden zwischen dem ersten Termin beim Diözesanadministrator Ulrich Boom und dem dann folgenden Laisierungsverfahren. Ich habe Herrn Boom dargelegt, dass ich in Zukunft mit der Frau, die ich liebe, zusammenleben möchte. Da antwortete er mir, dass er da nun keinen Handlungsspielraum mehr hätte und belegte mich mit sofortigen Berufsverbot. Im Folgenden gab es aber eine Pressemitteilung seitens der Diözese, in der es hieß, ich sei auf eigenen Wunsch aus dem priesterlichen Dienst ausgeschieden. Das entspricht so nicht der Wahrheit: Denn ich war gern Priester gewesen!

Das Gespräch führte Charlotte Wittnebel-Schmitz.

Bettina und Philipp Tropf: "Todesursache: Unfehlbarkeit. Eine Kirche nimmt Abschied von dieser Welt", Bephitro Verlag, Taschenbuch, 160 Seiten, Preis: 14,99 Euro

Zu den Beteiligten

Nachgefragt Die Saale-Zeitung bat die Diözese um Stellungnahme zum Buch. Pressesprecher Bernhard Schweßinger schrieb daraufhin: "Die Diözese kommentiert die Inhalte des Buches nicht."

Zu den Autoren Philipp Tropf, 1977 geboren, studierte nach dem Besuch einer Schauspielschule Theologie, Philosophie und Psychologie. Tropf hat 2009 im Fach Kirchengeschichte promoviert. 2010 gründete er eine Beratungsgesellschaft. 2016 empfing er in Würzburg die Priesterweihe und arbeitete als Kaplan in der Rhön und im Spessart. Ende 2017 erhielt Philipp Tropf durch die Amtskirche Berufsverbot, nachdem er sich öffentlich zu seiner Frau Bettina bekannt hatte.

Bettina ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern. Sie ist seit 30 Jahren bei einem internationalen Konzern tätig.