Ein Dirigent wie kein zweiter
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Mittwoch, 13. März 2013
Andreas Kleinhenz hat die wohl bekannteste Blaskapelle im Landkreis zu dem gemacht, was sie heute ist. Nach 24 Jahren gab er im Herbst den Dirigenten-Stab an Markus Greifensteiner weiter. Kleinhenz hinterlässt große Fußstapfen. Kann "der Neue" da mithalten? Und sind die Georgis ohne ihren "Andi" überhaupt noch die Georgis?
Es ist unruhig im Saal des katholischen Pfarrheims. Die Georgi-Bläser sitzen auf der Bühne, doch die Musiker tuscheln miteinander, nicht jedes Instrument ist gestimmt. Das Jahreskonzert liegt in der Luft. Dirigent Markus Greifensteiner steht vor seinen Musikern. "Je mehr ihr gebt, desto weniger muss ich geben", sagt er ruhig, aber bestimmt. Denn schließlich soll am kommenden Samstag alles klappen.
Ein Kind der Blaskapelle
Greifensteiner ist neu bei den Georgis - und auch wieder nicht. Von seinem achten bis zu seinem 16. Lebensjahr spielte er im Blasorchester Schlagzeug. Dann zog ihn die musikalische Ausbildung weg von der Heimat. Im Herbst 2012 übernahm er den Dirigenten-Stab von Andreas Kleinhenz, der die Kapelle seit 1988 geführt hatte. Über seinen Vorgänger sagt Greifensteiner: "Seine Art, wie er geführt hat, war immer sehr offen und sehr kraftvoll. Er ist ein absoluter Musiker."
Ein absoluter Musiker ist Greifensteiner auch, doch er schlägt leisere Töne an. "Andi ist Lehrer, das hat man gemerkt", erzählt Ulrike Abersfelder. Wo Kleinhenz einen Brüller losgelassen habe, müsse Markus lange reden. "Und er spielt die Stücke langsamer", fügt Isabell Dill hinzu. Die 15-Jährige spielt Alt-Saxophon. Die Perfektion sei bei beiden stark ausgeprägt, aber Greifensteiner orientiere sich eher am Original-Tempo. Alles in allem - so der Tenor bei den Jung-Musikerinnen - seien die Unterschiede zwischen den Dirigenten aber nicht so gravierend.
Greifensteiner möchte auch gar keinen "Cut". Ein klarer Schnitt würde die musikalische Entwicklung eher hemmen. Außerdem falle es ihm leicht, an Kleinhenz' Stil anzuknüpfen, "weil ich schon immer die Musik gemocht habe, die die Georgis gespielt haben." Auch in ihrer Vorstellung von den Stücken weichen die beiden nicht viel voneinander ab. "Ich habe mir alte Aufnahmen von Konzerten angehört, bei denen ich selbst nicht dabei war. Da habe ich gemerkt, dass wir von der Interpretation her eine sehr ähnliche Auffassung haben."
Der Zusammenhalt zählt
Soweit so gut. Doch bei allen Gemeinsamkeiten kann solch ein Dirigenten-Wechsel doch nicht spurlos an der Kapelle vorbeigehen, die Kleinhenz fast ein Vierteljahrhundert in seiner ureigenen musikalischen Art geformt, geschliffen und auf Hochglanz poliert hat. Der gute Zusammenhalt sei doch das, was die Kapelle ausmache, sagt Peter Gottwalt. Der 42-Jährige ist knapp ein Jahr bei den Georgis dabei. Für ihn war Kleinhenz' Abschied kein Bruch. Warum auch? "Die Musiker sind ja dieselben!" Am Anfang habe es noch gehießen: "Beim Andi haben wir das aber so gespielt", sagt Gottwalt. Greifensteiners Antwort: "Und bei mir spielen wir es anders." Schon bei den Proben zum Jahreskonzert sei das nicht mehr vorgekommen. Greifensteiner ist als Dirigent bei den Georgis angekommen.
Ein Grund dafür ist sicher auch das Vorschuss-Vertrauen, dass die Musiker "dem Neuen" entgegenbringen. "Markus hat ja hier gelernt. Man hat schon damals gesehen, dass er ein Riesen-Talent hat. Von daher ist er kein Fremder", sagt Barbara Fuchs-Bauer. Schon in den 90er Jahren spielte Fuchs-Bauer Tenor-Saxophon bei den Georgis. Seit 2002 ist sie durchgehend dabei. Ein echtes Urgestein ist Andreas Scheller. Er hat noch den Dirigenten vor Kleinhenz, Michael Klein, kennengelernt. "Andi hat die Kapelle zu dem gemacht, was sie jetzt ist", sagt Scheller. Aus der kleinen Kirchen-Kapelle sei ein namenhaftes Orchester geworden. "Markus baut darauf auf. Auf seine Art. Aber unseren Grundstock haben wir vom Andi."
Eigenen Stil verwirklichen
"Jeder hört Musik anders. Auch jeder Dirigent hört Musik anders und will sie so gespielt haben, wie er sie hört", sagt Fuchs-Bauer. Aber wie hört Greifensteiner Musik? "Ich mache es so, wie mein Gefühl es mir sagt", versucht der eine Erklärung. In seiner Interpretationspraxis orientiere er sich an dem rumänischen Dirigenten Sergiu Celibidache. "Musik braucht Zeit", sagt Greifensteiner. Das sei genauso wie bei der Sprache. Auch jeder Text brauche seine bestimmte Zeit, wenn man ihn vortrage. Deshalb die Lansamkeit. Deshalb sein ruhiger Stil bei aller Gemeinsamkeit mit Andreas Kleinhenz.
"Wir brauchen keinen Andi 2.0", stellt Isabell Dill am Ende klar. Eines steht fest: Kleinhenz ist ein Dirigent wie kein zweiter. Greifensteiner auch.