Das "Schiff" läuft bald vom Stapel
Autor: Kathrin Kupka-Hahn
Premich, Sonntag, 04. Oktober 2015
Weil ein ansprechender Jugendtreff vor Ort fehlt, haben sich fünf Premicher nun einen eigenen gebaut. Nach drei Monaten Bauzeit ist ihr Partyhäusle fast fertig. Da es auch vier Räder hat, können die Jungs damit flexibel unterwegs sein.
Laut dröhnen die Bässe. Das Häusle vibriert. Panisch blicke ich mich um. Halten die Wände das Wummern aus? Immerhin stehen drei Boxen in dem Raum. Plötzlich bricht das Dröhnen abrupt ab. "Wir haben bloß einen Soundcheck gemacht", erklärt Marcel Keßler. Erleichtert atme ich auf. Dann ist wieder Musik zu hören, diesmal aber deutlich entspanntere: Der alte Schlager "Una Paloma blanca" aus den 1970er-Jahren plätschert aus den Lautsprechern.
So alt bin ich nun auch wieder nicht, sage ich dazu. Marcel muss grinsen. Dann stoppt die Musik erneut. Ruhe kehrt in dem Häusle ein und die Jungs versammeln sich an der Theke: Kevin, der seinen Nachnamen nicht nennen will, Jan Krapf, Fabian Zehe und Marcel Keßler. Der fünfte Mann, Marcel Pölderl, fehlt. Er hat heute keine Zeit.
Ein Partymobil
Die fünf Premicher sind zwischen 20 und 25 Jahre alt und nennen sich die "Schiffscrew". Wie bitte? Premich liegt doch in der Rhön und nicht am Meer. "Aber wir bauen ein Schiff", erklären die Freunde, warum sie sich so nennen. Ihr "Schiff" ist ein Partymobil - ein richtiges stabiles Haus aus Holz auf Rädern. Von Außen grau und rot angestrichen, obendrauf befindet sich ein Blechdach.
Die Innenausstattung ist ebenfalls hölzern, fein lackiert und aufpoliert. Nur den Fußboden bedeckt ein Belag aus Vinyl. Egal, es sieht gemütlich aus. Hier möchte man gerne feiern. Nicht zuletzt wegen der bunten Beleuchtung in dem Häusle. "Das Rot machen wir beim Fotografieren aber nicht an ", sagt Marcel, der so etwas wie der Sprecher der Gruppe ist.
Treff für junge Leute
Er und seine Freunde haben das
"Schiff" gebaut, weil ein Treff für junge Leute und die entsprechenden Freizeitangebote in Premich fehlen. "Hier ist doch tote Hose", fügt Fabian Zehe hinzu. Deshalb treffen sich die Jungs meistens bei Marcel Keßler zu Hause. Doch auf Dauer ist das nix. Eine Lösung muss her. Die soll zunächst ein Bauwagen bringen, den die Kumpels entsprechend umbauen. Für die fünf Freunde kein Problem, schließlich sind drei Handwerker unter ihnen.
Doch kaum ist der Bauwagen fertig, stellen sie fest: Der reicht nicht aus, etwas Größeres muss her. Doch was? Schließlich verkaufen die fünf den Bauwagen und besorgen sich einen vier Meter langen Lkw-Anhänger. "Der wurde sonst zum Transport von Containern genutzt", erklärt Fabian, der Schreiner ist. Wie viel die Jungs für den Anhänger bezahlt haben, wollen sie nicht verraten. Über den Preis sei Stillschweigen vereinbart worden. Was der Bau des "Schiffs" letztendlich gekostet hat, können sie auch nicht sagen, noch nicht einmal schätzen. "Jeder von uns hat dazu beigetragen", sagt Marcel. Alle fünf haben Material besorgt und mitgearbeitet, wochentags nach Feierabend und samstags. Auch Freunde haben unentgeltlich mitgeholfen, wie etwa Max, der Elektriker. "Besonders gut war, dass wir die Maschinen der Schreinerei Zehe für den Schiffsbau nutzen durften", sagt Jan Krapf, ein Industriemechaniker. So entsteht das außergewöhnliche Mobil Stück für Stück im Hof der Premicher Kirchstraße 22. Viele neugierige Blicke ernten die Jungs. "Außerdem waren wir Dorfgespräch", so Fabian.
Einen richtigen Plan, wie ihr Traum-Partymobil aussehen soll, haben die Fünf anfangs nicht. "In unseren Köpfen existierte bloß ein grobes Konzept. Die konkreten Ideen entstanden aber nach und nach beim Bauen", erzählt Marcel, der als Zimmermann bei der Firma Albert-Haus arbeitet. Im Juli haben er und seine Kumpels mit dem Bau begonnen. Vergangenen Freitag ist das "Schiff" vom Stapel gelaufen. "Das haben wir natürlich ordentlich gefeiert", erzählen die Freunde. Wann und wo die Fete gefeiert wurde, war offiziell nicht bekannt. Schließlich ist das "Schiff" Privateigentum. Deshalb bestimmen auch die fünf Jungs, wer mitfeiert, sprechen persönliche Einladungen aus.
Mit dem "Schiff" mobil
Probleme, entsprechende Partystandorte beispielsweise am 1. Mai oder an Geburtstagen zu finden, haben sie nicht. Ihre Familien besäßen ausreichend Grundstücke, Äcker oder Wälder in und um Premich, auf denen sie ungestört feiern können, sagen die Jungs.
"Mit dem Schiff sind wir doch mobil. Wir transportieren es mit dem Bulldog, stellen es hin und schmeißen das Aggregat an", erklärt Marcel. Dann könne die Party sofort starten.Nicht nur die fünf Kumpels sind von dem außergewöhnlichen Schiffsbau begeistert, auch Fabian Zehes Mutter. "Ich finde es toll, was die Jungs hier Abend für Abend geschafft haben", sagt sie. Außerdem beruhige es, zu wissen, dass ihr Sohn mit seinen Kumpels in der Nähe feiert. "Schließlich müssen sie nicht mehr mit dem Auto irgendwo herumfahren." Denn notfalls können sie in ihrem Partyhaus übernachten. "Dafür haben wir extra eine Schlafkammer gebaut, unter dem Haus, zwischen den Rädern, sogar mit Fenstern", erzählt Fabian.