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Brückenauer Grabmale sind frei von Kinderarbeit


Autor: Ulrike Müller

Bad Brückenau, Mittwoch, 16. Januar 2013

Seit dem 1. Januar dürfen in Bad Brückenau nur noch Grabsteine aufgestellt werden, die nicht mithilfe von Kinder- oder Zwangsarbeit entstanden sind. Für öffentliche Bauaufträge gilt das nicht. Macht das Sinn?
Soziale Verantwortung gilt auch für den letzten Weg - das findet zumindest die Stadt Bad Brückenau und genehmigt nur noch zertifizierte Steine. Fotos: Ulrike Müller


Ratlos sitzt Hans-Jürgen Storch in seinem Büro. An der Wand steht ein rötlicher Stein, aufwendig bearbeitetet. Ein Gesellenstück, unverkäuflich. Seit dem 1. Januar muss der Steinmetz der Stadtverwaltung für jedes Grabmal, das er aufstellt, ein Zertifikat vorlegen, dass der Stein frei von Kinder- und Zwangsarbeit ist. So sieht es die neue Friedhofssatzung vor.

Eigentlich eine gute Sache, findet Storch: "Ich bin gegen Kinderarbeit, ich habe doch selbst zwei Kinder", sagt der Familienvater, der seit 1987 in Bad Brückenau lebt. Seit mehr als 20 Jahren führt er sein Geschäft auf dem Buchrasen und "noch nie hat mich jemand gefragt, ob da was mit Kinderarbeit ist." Aber plötzlich sieht sich Storch einem Generalverdacht ausgesetzt: "Grabsteine sollen zertifiziert werden.

Aber wenn der Marktplatz gepflastert wird, macht sich niemand Gedanken."

Zertifizierung trifft Philosophie der Stadt

Für die Stadt indes passt der Fair Stone-Passus ins Konzept. "Es trifft die Philosophie der Stadt: Fair Trade - Fair Stone", schwärmt Hans Bauer, Leiter des Standesamtes und für die neue Friedhofssatzung zuständig. "Auf diese Weise können wir die Steinmetze beeinflussen, auf soziale Standards bei der Herstellung zu achten." Die Neuerung angeregt hatten die beiden Stadtpfarrer Alfred Bauer und Gerd Kirchner. Werner Kenner, der bis Juni 2012 Referent fürs Friedhofswesen der Stadt war, nahm die Anregung gerne auf.

Das Verrückte an der ganzen Geschichte ist, dass eigentlich alles beim Alten bleibt: "Hier stehen dieselben Steine wie immer. Sie kosten dasselbe Geld. Das einzige, das sich ändert, ist der bürokratische Aufwand", sagt Storch. Seine Steine bezieht er von zwei Zulieferern: vom Granitwerk Vates im Fichtelgebirge und der Firma Holland Graniet. "Für uns ändert sich eigentlich nicht viel, weil wir den Großteil unserer Steine in Deutschland produzieren", erklärt Peter Wunderlich, Vates-Geschäftsführer. Für die übrigen Steine habe man jetzt ein Zertifikat angefordert.

Steine reisen um die Welt

Bei Holland Graniet sieht das schon etwas anders aus. "Unsere Steine kommen zum Beispiel aus Schweden, werden in Indien verarbeitet und dann wieder in Europa verkauft", schildert Kurt Hoos von Holland Graniet die Realität der Globalisierung. Die Nachfrage nach Zertifikaten sei rasant gestiegen, deshalb engagiere sich die Firma in der Interessengemeinschaft "Asiatische, Afrikanische und Lateinamerikanische Natursteine", die sich für die Abschaffung von Kinderarbeit und die Wahrung von Sozialstandards einsetzt. "Unsere Steine sind zu 100 Prozent zertifiziert", sagt Hoos.

Auf dem Friedhof ist Fair Stone also ab sofort Pflicht. Für die Bauaufträge der Stadt gilt das nicht. "Die Zertifizierung ist eine Regelung speziell für Grabsteine", stellt Anton Kiefer, Geschäftsleiter der Stadt, klar. Karl Heinz Weismantel vom städtischen Bauamt berichtet, dass zur Zeit Gespräche mit dem Ingenieurbüro Arz aus Würzburg über die Herkunft von Baumaterial laufen. "In der Regel kommen Pflastersteine ja nicht aus Indien oder China, sondern werden in Deutschland oder zumindest in der EU hergestellt", sagt Kiefer. Dass durch Kinderarbeit belastetes Material verbaut worden sei, könne er aber nicht ausschließen.

Eine Klage macht keinen Sinn

Die Stadt Nürnberg hatte eine ähnliche Verordnung in ihre Friedhofssatzung aufgenommen. Ein Steinwerk klagte gegen die Bestimmung und bekam zunächst Recht. Im Juli 2012 stellte sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hinter die Stadt und bestätigte die Satzung. Eine Klage würde Hans-Jürgen Storch freilich nicht im Traum einfallen. "Die Friedhofssatzung ist so gemacht", sagt er, "dann lege ich eben jetzt die Zertifikate vor."