In den 1990er Jahren kamen hunderte Russlanddeutsche nach Bad Brückenau. So auch Familie Hahn, die die Bäckerei Löhmer in der Ludwigstraße übernommen hat. Dort gibt es russischdeutsche Spezialitäten - zum Beispiel das Osterbrot.
Es ist warm in der Backstube. Eben haben Elena und Alexander Hahn helle Rosinen-Brote in den Ofen geschoben. Nun läuft die Zeit. "Eigentlich ist das Osterbrot eine russische Tradition, die aus der orthodoxen Kirche kommt", erzählt Elena Hahn, Chefin der Bäckerei Löhmer. Doch die russlanddeutschen Familien haben diese Tradition übernommen - und mit nach Deutschland gebracht.
Das Paar - sie eine Russin, er Russlanddeutscher - hat sich in Karaganda in Kasachstan kennengelernt. 1992 kamen sie als eine der ersten Familien nach Bad Brückenau. Sohn Eugen (29) und Tochter Christina (21) wuchsen hier auf. Während die Mutter bald Arbeit in der Bäckerei Löhmer bekam, schaffte der Vater erst einige Jahre bei Hanse Haus, wurde in Kurzarbeit geschickt und arbeitete schließlich als Lkw-Fahrer. Als im Jahr 2004 für die Bäckerei ein Pächter gesucht wurde, machte sich die Familie kurzerhand selbstständig.
In Moskau studiert, in Bad Brückenau selbstständig gemacht
"Mama, ist der Stollen schon fertig?" Christina kommt in die Backstube. Sie hat bei ihrer Mutter eine Ausbildung zur Fachverkäuferin im Bereich Lebensmittel gemacht und steht - wenn sie nicht gerade in der Backstube aushilft - hinter der Kasse. Zwei weitere Verkäuferinnen und eine Aushilfe in der Backstube beschäftigt das Unternehmen. Der Kunde bekommt die Ware frisch, manchmal noch ofenwarm.
"Wir backen mit Natursauerteig und machen alles selbst", sagt Elena Hahn selbstbewusst. Sie weiß, was sie kann. Von 1979 bis 1986 hat sie in Moskau Technologie der Back-, Konditorei- und Teigwarenproduktion studiert. Ihr Diplom hängt im Geschäft gleich neben der Tür. Ihr Mann ist Kraftfahrer. Alles, was er über das Backen weiß, hat er von seiner Frau gelernt. Sie ist die Chefin - "aber das hört er nicht gern", sagt Tochter Christina über den Vater, aber sie lacht dabei.
Der Konkurrenzkampf ist groß
Der Stolz über das, was die Familie hier geschafft hat und täglich schafft, steht Alexander Hahn ins Gesicht geschrieben. Nach gut einer halben Stunde holen er und seine Frau die Osterbrote aus dem Ofen. "Die müssen erst mal auskühlen", erklärt er. Später wird Natalia Eirich kommen und sie mit Zuckerguss dekorieren.
Die Arbeitszeiten von Familie Hahn haben es in sich: Fast jede Nacht stehen Elena und Alexander in der Backstube. Um 2 Uhr geht's los und gegen 9 Uhr ist alles fertig. Am Abend bereiten die beiden den Teig für die Nacht vor, dann schlafen sie noch eben ein paar Stündchen, bevor's wieder los geht. "Arbeit ist Arbeit", sagt Elena Hahn. In Kasachstan arbeitete sie als Ingenieurin in einem Labor für Lebensmittel. Mit festen Arbeitszeiten, ohne den ständigen Wettbewerb um die Kunden. "Man muss kämpfen, immer kämpfen", sagt die 52-Jährige.
Als kirchliche Traditionen nicht gern gesehen wurden...
Als Natalia Eirich wenige Stunden später mit dem Pinsel geduldig jedes einzelne Osterbrot bearbeitet, sagt sie: "Meine Mutter hat das Osterbrot früher auch immer gemacht." In russlanddeutschen Familien gehöre es zum Osterfest einfach mit dazu. Vor vielen Jahren, als in der ehemaligen Sowjetunion die orthodoxe Kirche keinen guten Stand hatte, sind kirchliche Traditionen aus der Öffentlichkeit verschwunden, erklärt Eirich. Trotzdem haben die Menschen Osterbrote gebacken und Ostereier gefärbt. "Nicht heimlich, aber für sich allein zuhause", beschreibt Eirich die Situation damals.
Heute ist das Osterbrot immer noch sehr beliebt. So beliebt, dass Familie Hahn in der Woche vor dem Osterfest bis zu 200 Brote in einer Nacht backt und bis nach Gelnhausen, Hanau und Fulda zu russlanddeutschen Geschäftspartnern liefert.