Schlitzohren sterben nicht aus
Autor: Rolf Pralle
Bad Brückenau, Montag, 03. April 2017
Die Theatergruppe "Kompass" des Franz-Miltenberger-Gymnasiums bot im Lola-Montez-Saal des Staatsbades tolle Unterhaltung auf hohem Niveau.
Der brasilianische Schriftsteller Ariano Suassuna ist bekannt für seinen scharfen Blick auf die Schwächen der Gesellschaft. Nicht zuletzt deshalb hat sich die Theatergruppe "Kompass" des Franz-Miltenberger-Gymasiums unter der Leitung von Dirk Hönerlage entschieden, das Volksstück "Das Testament des Hundes" auf die Bühne zu bringen. Und bei der Aufführung erwies sich, dass das eine gute Entscheidung gewesen ist.
Testament erfunden
Ariano Suassuna, der vor drei Jahren gestorben ist, sympathisiert mit jenen, die mit Phantasie und naivem Glauben an Barmherzigkeit ihr karges Leben verschönern wollen. So wie beispielsweise die Landarbeiter Grilo (Nick Schumm) und Chico (Charlotte Kunkel). Beide sollen den Pater (Manuel Helfrich) davon überzeugen, den Hund des Bäckerehepaares (Jonas Krautwald/Anna Mathes) zu segnen. Dieser weigert sich jedoch, und der Vierbeiner stirbt schließlich.
Durch alle Bevölkerungsschichten
Um den Geistlichen dazu bewegen, dem Tier doch noch ein christliches Begräbnis zu gewähren, erfindet Grilo ein Testament, in dem auch der Pater begünstigt würde. Dem Bischof (Jonathan Jehn), der Einwände gegen die Beerdigung erhebt, verspricht Grilo einen Teil des Hundevermächtnisses, und zieht gleichzeitig dem Bäcker und seiner Frau viel Geld aus der Tasche. Die Pläne scheinen aufzugehen, bis der berüchtigte Räuberhauptmann Severino (Valentin Leitner) mit seiner Braut (Nicole Zimmermann) in der Stadt auftaucht.Es war beeindruckend, mit welcher Spielfreude die jungen Schauspieler agierten. Mimik und Gestik wurden in jeder Szene auf den Punkt genau gesetzt, jede Pointe traf ins Schwarze. Und auch so manch nachdenkliche Passage konnten die Gymnasiasten dank ihrer enormen Interpretationsbreite für alle Zuschauer stets verständlich gestalten.
Relativ schnell merkte das Publikum, dass wohl auch die "Dorfbewohner" nicht so recht an ein real existierendes Testament eines Hundes glauben wollten. Aber Geld regiert eben die Welt und verdirbt oft den Charakter. Kamen irgendwelche Zweifel an dem angeblichen Vermächtnis auf, wurden diese vielfach auf recht kuriose Weise abgebügelt.
Gier besiegt den gesunden Menschenverstand, die Skepsis weicht der Utopie. Und dieses Phänomen beobachtet der Theatergast nicht nur bei den sogenannten einfachen Leuten. Es zieht sich durch bis in die höchsten geistlichen Kreise. Da wird getäuscht und getrickst, korrumpiert und geschmeichelt, gelogen und betrogen. Und selbst die aberwitzigste Behauptung wird für die sprichwörtlich bare Münze gehalten, wenn es zum individuellen Vorteil gereicht.
Das ändert sich auch nicht, wenn Dinge zur Sprache kommen, die nun wirklich jeglicher Realität entbehren. So soll es Katzen geben, "die Geld entkacken". Oder eine Mundharmonika, "die Schusswunden heilt".
Als sich schon alle auf den zu erwartenden finanziellen Segen eingerichtet haben, kommt der Räuberhauptmann mit seiner Braut in die Stadt und richtet unter der Bevölkerung ein riesiges Gemetzel an.
Furioses Finale
Wer nun wie einige Theaterbesucher geglaubt hatte, das Stück sei hier zu Ende, wurde schnell eines Besseren belehrt. Es folgte lediglich eine kleine Pause, ehe die Aufführung vor dem furiosen Finale mit dem Erscheinen von Dämon (Sini Leitner) und Teufel (Johanna Blank) noch einmal richtig Fahrt aufnahm. Vor dem Himmelstor sollte sich entscheiden, wer für welche Taten in der Hölle landet oder auch nicht. Aber selbst im Angesicht des Herrn änderten Betrüger und Betrogene ihre Lebensphilosophie nicht. Schlitzohrigkeit ist eben nicht tot zu kriegen. Da musste selbst die höhere Macht passen - und lachen.Dass die Theatergruppe "Kompass" den Nerv des Publikums exakt getroffen hatte, zeigte minutenlanger und lautstarker Applaus. Damit wurde auch das Engagement gewürdigt, ein Stück mit Rahmen- und Binnenhandlung zu realisieren, was bekanntlich nicht immer ein leichtes Unterfangen ist.