Heilung, Versöhnung und gegenseitiges Kennenlernen standen im Mittelpunkt des ökumenischen Auftaktgottesdienstes zum Reformationsjubiläum.
Es war ein ungewöhnliches Bild, das sich den Besuchern in der Bad Brückenauer Friedenskirche bot. Denn gleich sechs Geistliche beider Konfessionen aus dem Altlandkreis traten vor den Altar, um sich in Wort, Musik und Gestik mit dem Thema "500 Jahre Reformation" in all seinen Facetten auseinander zu setzen.
Fakten und ganz Persönliches
Die beiden katholischen Pfarrer Michael Krammer und Armin Haas sowie die evangelischen Pastoren Barbara Weichert, Carsten Friedel, Thomas Braun und Gerd Kirchner beließen es dabei keineswegs nur bei Bibeltexten und frommen Gesängen, sondern brachten in ihren Ausführungen auch historische Fakten und ganz persönliche Dinge zur Sprache. Kein Geheimnis machten die Geistlichen daraus, dass in der Vergangenheit die Gräben zwischen den Konfessionen immer mehr aufgerissen worden seien, mit oft katastrophalen Folgen für den einzelnen Menschen. "Im Jubiläumsjahr ist das anders", schauten sie schon einmal auf die Themen voraus, die man in den kommenden Monaten gezielt in die Praxis umsetzen will.
"Gemeinsamkeit betonen, Verbundenheit vertiefen" lautet dabei nur ein Credo für die Fülle von Aufgaben. Das sei im Raum Bad Brückenau aber gar nicht so schwer, da hier schon die Ökumene auf vielen gesellschaftlichen Feldern erfolgreich praktiziert werde. Als jüngstes Beispiel nannte Kirchner die Sternsingeraktion vor einigen Tagen. Krammer ermahnte, dass sich die christlichen Kirchen trotz aller hoffnungsvoller Zeichen der Gegenwart auch den Fehlern der Vergangenheit stellen müssten. "Wunden heilen" laute das Gebot der Stunde. Darüber waren sich die Redner einig.
Kriege, Machtkämpfe
In ihrer gemeinsamen Predigt erinnerten die beiden Pfarrer noch einmal daran, was 1517 überhaupt gewesen ist. Vor dem Hintergrund eines "angstbesetzten mittelalterlichen Gottesbildes" sei Luther auf der Suche nach einem gnädigen Gott gewesen, so Kirchner. Und spätestens der Ablasshandel, bei dem Heil als Ware verkauft wurde, sei für Luther der Zündfunke für den Thesenanschlag gewesen, ergänzte Krammer. Die historischen Fakten jener Zeit sind bekannt: Kriege, Machtkämpfe auf allen Ebenen, Schuldzuweisungen über Jahrhunderte hinweg, Spaltung von Familien und Dörfern, Ehehindernisse zwischen den Konfessionen. "Die Einheit war in weiter Ferne", so Krammer.
Gemeinsame Erklärung
Und trotzdem hätten auch die Katholiken aus der Reformationen viele positive Dinge mitnehmen können. Als Beispiele nannte er unter anderem die Vereinheitlichung der Priesterausbildung, die Gründung von Universitäten oder die Öffnung von Klöstern für Natur- und Betriebswissenschaften. Und einige Jahrhundert später habe das II. Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) den Grundstein für eine weitere Annäherung zwischen den beiden christlichen Konfessionen gelegt.
Ein Meilenstein sei dann die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre und Rücknahme der Lehrverurteilungen im Jahre 1999 gewesen: "Seitdem können wir ernsthaft aufeinander zugehen und Brückenbauer werden".
Selbstverpflichtung
Damit Ökumene weiter und künftig noch umfänglicher funktioniert, gingen die sechs Geistlichen untereinander und vor den Gottesdienstbesuchern als lebendigen Zeugen eine gemeinsame Selbstverpflichtung in fünf Punkten ein. Nach Verlesung jedes einzelnen Imperativs wurde dabei als Zeichen der hohen Bedeutung dieser Handlung feierlich eine Kerze entzündet. In den detaillierten Bekenntnissen geht es unter anderem darum, dass Katholiken und Lutheraner immer von der Perspektive der Einheit und nicht von der Perspektive der Spaltung ausgehen sollten, um das zu stärken, was sie gemeinsam haben.
Gegenseitige Unterstützung
Wichtig sei die gegenseitige Unterstützung in allen Lebensbereichen, nicht zuletzt in Fragen der Caritas und Diakonie, der sozialen Gerechtigkeit, der Friedenssicherung und der Wahrung der Menschenrechte. Man werde alles unterlassen, was Anlass zu neuen Zerwürfnissen zwischen den Kirchen gibt. In ethischen Fragen, die zwischen den Glaubensrichtungen strittig sind, solle vor Entscheidungen der Dialog gesucht werden. Konfessionsverbindende Ehen müssten alle Hilfestellungen erhalten, die es ermöglichen, den gemeinsamen Glauben zu stärken und die religiöse Erziehung der Kinder zu fördern.