Wannigsmühle
Tierschutz

170 Katzen bevölkern die Wannigsmühle

Ursula Boehm gibt es unumwunden zu: "Manchmal könnte ich zum Mörder werden." Die Leiterin des Tierheims und Vorsitzende des Kreistierschutzvereins hegt solche Gefühle, wenn sie gerade versucht, Katzenbesitzern zu erklären, dass sie derzeit keine Tiere mehr aufnehmen kann und dann hört: "Dann müssen wir die Tiere ja aussetzen."
Vier der 64 jungen Katzen, die derzeit in der Wannigsmühle versorgt werden. 170 Katzen sind es insgesamt.  Foto: Thomas Malz
Vier der 64 jungen Katzen, die derzeit in der Wannigsmühle versorgt werden. 170 Katzen sind es insgesamt. Foto: Thomas Malz
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Ähnlich mordlüstern wird sie, wenn wieder einmal Tierhalter ungeschoren davon kommen, die ihre Vierbeiner bei einem Auszug aus einer Wohnung einfach zurückgelassen haben. All diese Katzen und Hunde landen in der Wannigsmühle. "Wir sind voll, es ist ein Drama", sagt die Leiterin.
170 Katzen müssen derzeit versorgt werden, darunter 64 junge. In den Ferien sei die Zahl wieder dramatisch angestiegen, erklärt sie. Allerdings sei das ohnehin die Zeit, wo viele Jungtiere abgegeben werden. "Fundtiere" sei nämlich ein weit dehnbarer Begriff. Viele der Leute, die "Fundtiere" in die Wannigsmühle bringen, haben die Tiere im eigenen Haushalt "gefunden", ist sich Urusla Boehm sicher. Aber das lässt sich schwer beweisen und sie möchte den ehrlichen Tierlierbhabern, die wirklich gefundene Tiere abgegeben, auch nicht Unrecht tun.
Die Leiterin und ihre Mitarbeiter bekommen schon so manche Story zu hören, wenn Katzen abgegeben werden. Ganz oben auf der Hitliste steht der Umzug in eine Wohnung, in der keine Tiere zugelassen sind. Gleich gefolgt von der plötzlich aufgetreten Katzenallergie (trifft übrigens auch auf Hunde zu). Den Mitarbeitern der Wannigsmühle bleibt letztendlich nichts anderes übrig, als die Tiere aufzunehmen. "Wenn es einem wirklich um die Tiere geht, dann ist man erpressbar", gesteht Ursula Boehm ein. Aber diese Tierhalter geben ihre Vierbeiner ja wenigstens noch ab, andere gehen damit weit sorgloser um.
Bei Umzügen komme es immer wieder einmal vor, dass Tiere einfach zurück bleiben, sagt die Leitern. Der Vermieter entdeckt die armen Kreaturen dann oft in einem erbärmlichen Zustand. Und dementsprechend sieht es auch in der Wohnung aus. Die Folge: Das Tierheim hat noch mehr Tiere und der Wohnungsbesitzer wird wohl nicht mehr an Tierliebhaber vermieten. "Und das kann man ihm noch nicht einmal verübeln", sagt Ursula Boehm. Einfacher wird es für die Mitarbeiter der Wannigsmühle dadurch auch nicht.

Nicht nur Katzen sind ein Problem


Katzen stellen derzeit zwar das Hauptproblem dar, das einzige sind sie aber bei weitem nicht. Die Kleintierstation platzt aus allen Nähten. 22 Meerschweinchen haben Unbekannte auf der Grüngutsammelstelle in Hohenroth ausgesetzt, 14 lebten noch als die Mitarbeiter des Tierheims kamen. In einem Straßengraben wurden elf Zwergkaninchen in einem Karton gefunden. Die Liste ist lang. Hinzu kommen noch ein paar Tiere, die eigentlich überhaupt nicht in die Wannigsmühle passen und auch nur vorübergehend untergebracht werden können. Aktuelles Beispiel: Ein Kameleon, gefunden in einem Blumenkasten.
Einige der Kleintiere werden in ein befreundetes Tierheim umziehen. Geplant ist auch, die gesamte Station auszulagern. Die Kleintiere sollen dann im Außengelände untergebracht werden, mit entsprechend isolierten Unterkünften für den Winter. In der bisherigen Kleintierstation wäre dann Platz für junge Katzen, von denen das Tierheim ja so viele hat, erläutert Ursula Boehm.
Viele, viele Geschichten kann sie erzählen, sehr viele traurige, aber auch ein paar schöne. Da ist der humpelnde Kater Stromer, der eine Vorderpfote vermutlich in einer Schlagfalle verloren hat. Er begrüßt schmusend fast jeden Besucher des Tierheims. Der Kater war schon vermittelt, gilt aber inzwischen als unvermittelbar. Der Grund: Stromer haut immer wieder ab und humpelt in die Wannigsmühle zurück. "Wahrscheinlich ist es ihm hier das erste Mal in seinem Leben richtig gut gegangen", mutmaßt Ursula Boehm. Und hier will er wohl auch bleiben.
Grundsätzlich sollen die Tiere natürlich ein neues Zuhause finden und das so schnell wie möglich. 170 Katzen, 36 Hunde und unzählige Kleintiere - das kostet ja auch alles Geld. Der Kreistierschutzverein mit dem Tierheim leidet ja ohnehin - trotz der zahlreichen Hilfen - unter chronischer Geldnot. So weit wie vor zwei Jahren, als Ursula Boehm ganz ernsthaft einen Insolvenzantrag stellen wollte, ist es heuer zwar noch nicht, ausschließen kann sie so etwas aber nie.
Erfreulich: Immer wieder einmal kommt der Verein in den Genuss einer Erbschaft. Das sind dann meist Sachspenden, die dann erst einmal veräußert werden müssen (Häuser). So etwas hilft dem Verein, sich über Wasser zu halten. Der Pfotentaler, ein eigenes Vereinsheft, die Charity-Läden, die Ich-mach-mit-Aktion, der Tierfriedhof und vieles mehr sind zusätzliche Einnahmequellen. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.
Das Geld ist nur die eine Sache, die andere ist die Arbeit. Es ärgert Ursula Boehm, wenn sie hören muss: "Ihr seid ja erst ab 13 Uhr da." Ab 13 Uhr ist das Telefon besetzt, das stimmt schon so. Zuvor aber werden sämtliche Räume gereinigt und das Tag für Tag. Durch die vielen Tiere ist die Arbeit natürlich nicht weniger geworden.
Zu den Aufgaben der Mitarbeiter gehört es auch, verlassene Tiere aus Wohnungen abzuholen oder streunende Tiere einzufangen. Manchmal kann das richtig gefährlich werden. Ursula Boehm war dabei, als ein Mann, dem seine Tiere weggenommen werden sollte, die Anwesenden bedrohte und später sogar mit einer Axt auf die hinzu gerufenen Polizeibeamten losging. Das war schon schlimm genug, was die Leiterin aber noch mehr geärgert hat: Am nächsten Tag hat eine Firma die nächsten Tiere geliefert.