Besinnliche Lieder, Plätzchen, die Familie, die einträchtig um den Weihnachtsbaum sitzt - so kennen und lieben wir heutzutage Weihnachten. Das Ideal der Familie, die am Fest der Liebe zusammenkommt und sich in Besinnlichkeit ergeht, das streben wir an.

Ganz wichtig ist dabei die Besinnlichkeit oder ganz profan ausgedrückt: Ruhe und Stille. Wir genießen es, wenn Gemütlichkeit, Ruhe und ein Gefühl von Geborgenheit Einzug halten.

Weihnachten - früher ein ganz anderes Fest

Für viele darf dabei natürlich auch die Weihnachtsgeschichte nicht fehlen, der Grund, warum es dieses Fest gibt. Die Geburt Jesu, gefeiert seit über 2000 Jahren. In dieses Gefühl Tausende Jahre alten Tradition beizuwohnen, kuscheln wir uns wohlig schaudernd ein, uns bewusst, Teil von etwas Größerem, Heiligen zu sein.

Das Problem daran nur: Es stimmt nicht. Also der Teil mit der 2000-jährigen Tradition. Das Weihnachtsfest, wie wir es zum ewig gültigen Ideal stilisieren, existiert noch keine 200 Jahre, auch wenn Teile davon natürlich weiter zurückreichen.

Gehen wir 2000 Jahre zurück, zu den ersten Anhängern einer kleinen jüdischen Sekte, also den "Urchristen": Diese feierten Weihnachten gar nicht, denn zum Einen lehnten sie das Feiern von Geburtstagen als heidnisch ab und zum Anderen war man damals noch gar nicht einige darüber, dass Jesus überhaupt am 25. Dezember geboren worden war.

Weihnachten eigentlich im Herbst

Es gibt nämlich in der Bibel (die ja auch erst Jahrzehnte nach dem ungefähren Geburtsjahr Jesu geschrieben wurde) keinerlei genaue Angabe zum Geburtstag des christlichen Erlösers. Im Urchristentum wurde also heiter debattiert, wann der Heiland denn nun in der Krippe gelegen war. Die Logik wies auf ein Datum im Herbst hin, denn Volkszählungen fanden damals meist nach der Ernte statt, wenn Menschen ohne um ihre Ackerfrüchte fürchten zu müssen, reisen konnten.

Theologisch begründet wies sogar einiges auf den 25. Dezember hin, denn es existierte die Meinung, wonach Maria ihren Sohn am 25. März empfangen hatte, neun Monate vor dem 25. Dezember und am gleichen Tag, an dem er sterben würde. Christen, vor allem die frühen, liebten diese Zahlenspiele, denn sie spiegelten die Vollkommenheit eines göttlich erzeugten Universums wieder.

Eine anderer Grund mag darin gelegen haben, dass just am 25. Dezember in Rom seit dem 5. vorchristlichen Jahrhundert die Geburt des Gottes Mithras gefeiert wurde, der als Sonnengott und Bringer des Lichts viele Parallelen zu Jesus aufweist. Diese These der Übernahme des Mithras-Fests ist zwar nicht bewiesen und durchaus umstritten, aber passt doch irgendwie ins Bild, denn auch viele andere Feste wurden und werden an Tagen gefeiert, auf die auch heidnische Feste entfielen. Ebenso der Zeitraum, rund um das 4. Jahrhundert, passt dazu, denn die christliche Kirche versuchte, im römischen Reich, Fuß zu fassen und vor allem in den Alltag der Menschen einzugehen.

Weihnachten war früher auch mehr wie Halloween

Nun hatte man sich also schon auf den 25. Dezember geeinigt, aber viel mit unserem Weihnachten hatte das auch noch nichts zu tun. Es gab einen Gottesdienst und man feierte die Geburt Jesu als Hoffnungszeichen, aber Ostern war weitaus wichtiger - der Tod und Auferstehung des Messias waren einfach wichtiger als sein Geburtstag.

Erst im ausgehenden Mittelalter wurde Weihnachten wichtiger. Der Baum zum Beispiel als Teil von Weihnachten ist seit der Zeit Martin Luthers bekannt, auch wenn er damals nicht innen stand, sondern im Hof. Überhaupt war Weihnachten lange Zeit kein Familienfest, sondern wurde vom ganzen Dorf begangen.

Wie die Historikerin Renate Reuther in einem Interview zu ihrem Buch über Weihnachten erklärte, wurde Weihnachten mit Umzügen begangen: Die Leute zogen durchs Dorf, klopften bei allen an, wünschten sich alles und bekamen als Dank für die guten Wünsche Lebkuchen, Stollen, Schnaps oder Wein. Zum Abschluss war es üblich, ein großes Gelage mit allen gesammelten Dingen zu feiern. Klingt irgendwie mehr nach Halloween, als nach unserem Weihnachten, oder? Zumindest klingt es maximal entfernt von einer "Stillen Nacht" (das Lied wurde übrigens 1818 komponiert, getextet und uraufgeführt)

Warum so besinnlich?

Die Besinnlichkeit hielt erst im Lauf des 19. Jahrhunderts Einzug in deutschen Familien. Denn genau die rückten in den Mittelpunkt des Fests: Die Erfindung der bürgerlichen Kleinfamilie als Keimzelle der Gesellschaft - dies war die Folge des erstarkenden Bürgertums, das sich neben dem Adel etablieren wollte und sich natürlich von Arbeitern abgrenzen wollte.

Dazu kam, dass es schlicht immer weniger Großfamilien gab, da die Menschen vermehrt in die Städte zogen - eine Folge der Industrialisierung. Der Fokus verschob sich von der Dorfgemeinschaft hin zur Familie. Und das war bei Arbeitern nicht anders als bei den Bürgern.

Eine Folge, die diese Entwicklung gut illustriert: Der Baum rückte in die Kleinfamilie, vom Hof ins Wohnzimmer. Dort wurde Weihnachten zu dem, was es heute noch ist: Ein Fest der damals aufkommenden bürgerlichen Behaglichkeit. Die (Klein-)Familie versammelt sich und alle erfreuen sich an Harmonie und Besinnlichkeit. Hier konnte man sich als Familie feiern, Werte wie Häuslichkeit hoch halten und durch Geschenke zeigen, dass es keine Standesunterschiede mehr gab.

Weihnachten verbieten? Das gab es schon einmal

Viele blicken vielleicht sehnsuchtsvoll auf diese Zeit zurück, als Weihnachten noch kein hemmungsloser Konsumrausch war, doch auch das nahm im 19. Jahrhundert seinen Anfang. Teil daran hatte die aufkommende Spielzeugindustrie, die sozusagen die Munition lieferte im Wettstreit um die größten und teuersten Geschenke für die lieben Kleinen.

All das heißt mitnichten, dass man Weihnachten nicht als besinnliches Familienfest begehen sollte, aber vielleicht schenkt das Wissen um die wechselhafte Geschichte von Weihnachten etwas Gelassenheit. Vor allem dann, wenn mal wieder die Angst umgeht, dass irgendwer Weihnachten abschaffen möchte oder unsere Kultur an sich in Gefahr ist.

Kleiner fun fact am Rande: Die Einzigen, die jemals wirklich Weihnachten verboten haben, waren strenge Christen: Im Jahre 1647 erließen die Puritaner (sie waren nach dem Bürgerkrieg für einige Jahre an der Macht) in England ein Gesetz, wonach Weihnachten zu feiern untersagt war.

Die Puritaner zweifelten den 25. Dezember als Geburtstag Jesu an und außerdem war ihnen das Weihnachtsfest zu sehr geprägt von Völlerei, Alkohol und sexuellen Ausschweifungen. Was auch einiges aussagt darüber, wie man in England damals Weihnachten feierte. Auch in Massachusetts, wo ebenfalls Puritaner das Sagen hatten, war Weihnachten einige Zeit lang nicht wohl gelitten.

Die gute Nachricht: Es hat die Menschen damals herzlich wenig interessiert und so wurde heiter weiter gefeiert, bis Weihnachten 1660 schließlich in England auch wieder ganz legal ein Fest war.