Steinmeier: «Nicht zulassen, dass Demokratie Schaden nimmt»
Autor: dpa
, Mittwoch, 01. Oktober 2025
Kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ist die Stimmung alles andere als ausgelassen. Das weiß auch der Bundespräsident. Und bittet die Bürger, einmal innezuhalten.
35 Jahre nach der Deutschen Einheit hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier alle in Ost und West aufgefordert, sich schützend vor die Demokratie zu stellen. Er sehe mit Sorge, dass «die politische Mitte nicht nur, aber mehr noch im Osten unseres Landes immer weniger Rückhalt hat», sagte das Staatsoberhaupt in Berlin. «Lassen wir nicht zu, dass unsere Demokratie noch weiteren Schaden nimmt. Halten wir dagegen.»
Während bei der Vereinigung vor 35 Jahren ausgelassene Stimmung geherrscht habe, hätten viele heute Sorgen. «Aber sollten wir heute, anlässlich von 35 Jahren Deutscher Einheit, nicht einmal innehalten und uns vor Augen führen, was uns gelungen ist in diesen 35 Jahren?», fragte Steinmeier. Das vereinigte Deutschland sei stark und ein geachteter Partner in der Welt.
Auch die Ostbeauftragte Elisabeth Kaiser betonte, es sei keine Selbstverständlichkeit, dass man heute in einem wiedervereinigten, friedlichen und demokratischen Land lebe. «Gerade in diesen Zeiten dürfen wir das nicht vergessen», sagte die SPD-Politikerin bei der Vorstellung ihres Jahresberichts.
Schlechte Stimmung
Am 3. Oktober 1990 hatten sich die Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik nach Regeln des westdeutschen Grundgesetzes vereinigt - rund ein Jahr nach der friedlichen Revolution in der DDR. Neue Umfragen zeigen jedoch, dass das Gefühl der Zusammengehörigkeit eher abnimmt.
So sagten bundesweit 30 Prozent in einer repräsentativen YouGov-Umfrage unter gut 2.000 Menschen, dass Ost- und Westdeutsche mehr trennt als eint. Nur 16 Prozent glauben, dass Gemeinsamkeiten überwiegen. 40 Prozent denken demnach, dass sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede die Waage halten, 13 Prozent sind in dieser Frage unentschlossen.
Von den befragten Ostdeutschen sagten YouGov zufolge sogar 43 Prozent, dass Ost- und Westdeutsche mehr trennt als eint. Nur 11 Prozent meinen, dass die Gemeinsamkeiten überwiegen. Zum Vergleich: 2019 glaubten laut YouGov 34 Prozent der Ostdeutschen, dass Unterschiede überwiegen – heute sind es 9 Prozentpunkte mehr.
«Verkrustete Vermögensverhältnisse»
Kaiser sieht als Grund auch Unterschiede bei den Lebensbedingungen - unter anderem bei Vermögen, Löhnen und Mitsprache in Führungsetagen. Die SPD-Politikerin warb im Interview der Deutschen Presse-Agentur für eine Umverteilung von Vermögen - sei es über Vermögens- und Erbschaftssteuer oder neue Ansätze wie ein «Grunderbe» - also eine Art staatlich finanziertes Startkapital - oder die geplante Frühstartrente. Das ist gedacht als Sparplan mit staatlicher Hilfe von Kindheit an.