Im Makrokosmos des CSU-Chefs kann man sich zwischen Bierzelt, Kanzleramt und TikTok schnell verirren. Kurz nach seinem ersten Wiesn-Hit zeigt sich, in Söders Hochglanz-Welt gibt es vermehrt Kratzer.
Der Politiker Markus Söder liebt Rampenlicht nicht einfach nur. Er braucht es auch. Indien, Ingolstadt, Helgoland - wann und wo auch immer der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident auftaucht, die Aufmerksamkeit ist dem Polit-Promi sicher. Anders als in der analogen Welt muss sich aber auch ein Markus Söder anstrengen, um in den sozialen Netzwerken nicht unterzugehen. Obwohl seine Strategie extrem erfolgreich ist, in Summe hat er bei Twitter, Instagram, TikTok und Facebook fast zwei Millionen Follower, macht der dortige Söder-Kult ihm in der CSU nicht nur Freunde.
Fremdschämen wegen Wiesn-Hit «Sweet Caroline»?
Zuletzt wurde in der CSU wohl kein Beitrag von Söder so kontrovers diskutiert wie sein eigens im Tonstudio aufgenommener Wiesn-Hit «Sweet Caroline». «Das geht vom Kopfschütteln bis zum Fremdschämen», heißt es von einem CSU-Vorstand, ähnliches hört man auch andernorts in der Partei. Das sei unterhalb der Würde des Ministerpräsidenten. «Das ist nicht das, was sich der konservative Teil der Bevölkerung von einem Ministerpräsidenten erwartet.»
In der Parteibasis ist die Rede von «Banalisierung der Politik». Söder giere nach Klicks, das tue seinem Ego gut, bringe der CSU aber weder Stimmung noch Stimmen. «Wenn Social Media eine so große Wirkung haben soll – warum haben wir bei der Bundestagswahl dann nur gut 37 Prozent bekommen? Und dann müssten wir doch auch in den Umfragen besser dastehen.»
Söder: «Kommunikation ist oft eine Gratwanderung»
«Kommunikation findet immer mehr in sozialen Medien statt», sagt Söder, der hörbar bemüht ist, der Kritik mit Argumenten zu begegnen. «Der Staatsmann ist in der analogen Welt immer erkennbar, in der digitalen geht es aber auch um die Reichweite von Botschaften. Die erzielt man auch durch unterhaltsame Posts - das ist oft eine Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig. Deshalb ist das Auftreten in den sozialen Medien immer eine Frage der richtigen Dosierung.»
Millionenfach angesehene Beiträge mit und ohne politische Inhalte
Rund 75 Prozent von Söders Beiträgen transportieren politische Botschaften, das verbliebene Viertel besteht aus Fotos von Mittagessen, Hunden, Selfies mit anderen Promis und Co. Manche Beiträge werden millionenfach angesehen - etwa wenn Söder am Dönerspieß schnippelt oder er in einer Rede die Abschiebung von kriminellen Afghanen fordert.
«Jede Kommunikation, die Menschen erreicht, ist wichtig. Im Netz tobt rund um die Uhr eine Schlacht der Meinungen – da muss man Präsenz zeigen», betont Söder. Gerade die Jüngeren informieren sich über TikTok, Instagram oder X. «Heute gewinnt man keine Wahl ohne Social Media.»
Jasmin Riedl, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr in München, attestiert Söder eine Form moderner politischer Kommunikation. Auch sie sieht darin aber durchaus eine Gratwanderung.