In vielen Supermärkten kommt es zu Klopapier-Engpässen.Doch warum hamstern die Menschen gerade Toilettenpapier? Bilder von leergekauften Supermarkt-Regalen machen aktuell fast täglich die Runde in den Sozialen Netzwerken. Wegen der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus stocken viele Menschen ihre Vorräte auf. Es kommt zu Hamsterkäufen. Neben Lebensmitteln wie Nudeln oder Reis ist dabei anscheinend vor allem ein Produkt bei den Einkäufern gefragt: Klopapier.
Warum eigentlich ausgerechnet Klopapier? Eigentlich macht das gar keinen Sinn, denn Klopapier verbraucht man verhältnismäßig wenig (im Schnitt verbraucht jeder Deutsche 46 Rollen pro Jahr), es kann nicht ablaufen und essen kann man es auch nicht.
Warum horten die Verbraucher ausgerechnet Klopapier: Psychiater klärt auf
Psychiater Michael Huppertz wagt gegenüber dem Portal watson.de einen Erklärungsversuch, warum gerade Klopapier in der Corona-Krise so gefragt ist. "Das Toilettenpapier unterscheidet den Menschen vom Tier", sagt Huppertz im Interview mit watson. Die Menschen würden sich teilweise das schlimmste Szenario ausmalen - aktuelle Entwicklungen wie die ersten verhängten Ausgangssperren in Bayern feuern solche Gedanken bei Einigen zusätzlich an. "Wenn ich mich in Krisenzeiten schon nicht versorgen kann, dann darf zumindest das Klopapier nicht fehlen. Denn da geht es wirklich ans Körperliche, an die Würde. Scham ist schlimmer als Armut und schlimmer als Mangel", erklärt der Psychiater.
Warum es trotz aller Beteuerungen seitens des Handels und der Politik, es gebe keine Versorgungsengpässe, dennoch zu Hamsterkäufen kommt, erklärt Huppertz so: "Viele Menschen zweifeln an öffentlichen Meldungen oder Aussagen von Politikern." Das käme daher, dass Versprechungen vonseiten der Politik oft nicht erfüllt oder Missstände vertagt würden. Huppertz weiter: "Ich glaube, wir müssen deswegen eine neue Kultur des Vertrauens entwickeln. Denn ohne Vertrauen kommen wir in solchen Krisensituationen wie jetzt nicht weiter."
Auch zu dem Phänomen der Hamsterkäufe an sich wurde der Experte befragt. Diese Käufe ähnelten Zwangshandlungen, und dienen laut Huppertz dazu, vermeintlich die Kontrolle über eine schwer kontrollierbare Situation zurückzugewinnen. Viele Menschen würden es derzeit schlichtweg nicht ertragen, die Situation nicht im Griff zu haben. "Wer jetzt in den Supermarkt geht und im großen Stil Vorräte einkauft, vermittelt sich selbst das Gefühl, einen Plan zu haben und handlungsfähig zu sein", erklärt Huppertz gegenüber watson.
Gähnende Leere im Supermarkt-Regal: Herrscht wirklich keine Produktknappheit?
Mitunter entsteht der Eindruck, es herrsche Produktknappheit. Von einem Lebensmittelengpass kann Experten zufolge jedoch keine Rede sein. Hygieneartikel seien derzeit in einigen Läden zwar ausverkauft, könnten aber nachbestellt werden, heißt es weiter. Fotos von leeren Regalen zeigen laut Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) Ausnahmen - nicht die Regel. "Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist gesichert", sagt BVLH-Sprecher Christian Böttcher.
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Bei Hygieneartikeln wie Klopapier funktioniert die Logistikkette laut Böttcher etwas anders als bei Lebensmitteln: "Sie werden in der Regel seltener nachbestellt, weil sie normalerweise weniger nachgefragt werden."
Zuletzt aber sei die Nachfrage nach Hygieneprodukten "sprunghaft angestiegen", heißt es etwa von der Drogeriemarktkette dm. "Aufgrund des abrupten Anstiegs sind temporär Produkte an manchen Standorten nicht erhältlich", erklärt Geschäftsführer Sebastian Bayer. Es seien jedoch Maßnahmen ergriffen worden, um die Versorgung wieder zu gewährleisten.
Experte erklärt: Bislang gibt es kein Produkt, das nicht mehr lieferbar ist
Es hänge von verschiedenen Faktoren ab - unter anderem von der Größe, vom Standort und vom Technisierungsgrad des Marktes, ob ein ausverkauftes Produkt direkt am nächsten Tag wieder im Regal steht oder ob es ein wenig länger dauert, erklärt Böttcher.
"Grundsätzlich aber gilt: Es gibt keine Versorgungsengpässe. Alle Geschäfte werden mit den nötigen Produkten versorgt - sofern die Hersteller sie liefern können natürlich." Bislang sei ihm von keinem Produkt berichtet worden, so Böttcher, das gar nicht mehr lieferbar sei.
Auf Twitter erklärte der BVLH, dass Händler und Lieferanten daran arbeiten würden, die Regale zügig wieder aufzufüllen.
Der Außenhandelsverband (BGA) sieht in der Coronavirus-Krise eine flächendeckende Versorgung mit Waren in Deutschland sichergestellt. BGA-Sprecher André Schwarz sagte am Montag (16. März 2020) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass zwar die Versorgung schwieriger geworden sei, auch weil Produkte passgenau geliefert werden müssten. Durch Grenzkontrollen könne es zu Verzögerungen kommen.
"Es besteht aber kein Grund zur Panik. Die flächendeckende Versorgung mit Waren ist sichergestellt. Die Politik hat bereits gegengesteuert mit der Lockerung des Sonntags-Fahrverbots für Lkw", sagte Schwarz.