Tempo im Wohnbau: Städte dürfen experimentieren
Autor: Basil Wegener, dpa
, Freitag, 17. Oktober 2025
Eine neue Wohnung wird in Deutschland noch immer von vielen verzweifelt gesucht - auch nach Jahren mit politischen Versprechen. Abhilfe schaffen soll jetzt der beschlossene «Bau-Turbo».
Wohnungen auf Supermarktdächern, in der zweiten Reihe oder in Anbauten: Bund und Länder wollen mit dem nun beschlossenen «Bau-Turbo» rechtliche Bremsen für mehr Wohnungsbau lösen. Der Bundesrat billigte das Gesetz von Bauministerin Verena Hubertz (SPD). Bereits wenige Stunden später wurde es konkreter.
«Wir werden ihn schnell in die Praxis umsetzen», sagte Hubertz über den «Bau-Turbo». Dafür beantwortete die 37-jährige ehemalige Start-up-Gründerin bei einer Online-Konferenz Fragen aus Hunderten Kommunen. Wie soll es gelingen, schneller zu bauen, Flächen schlau zu nutzen - für mehr bezahlbaren Wohnraum?
Deutschland soll experimentieren
Kern des Gesetzes ist ein neuer Paragraf für Neubau, Umbau oder Umnutzung: Normalerweise kann man heute von einer fünfjährigen Planungszeit ausgehen. Jetzt sollen die Gemeinden entscheiden können: Wollen sie von den Vorschriften abweichen und eine nur dreimonatige Prüfung durchführen, um zusätzliche Wohnungen bauen zu lassen? Ein Bebauungsplan muss dazu laut dem neuen Paragrafen nicht aufgestellt oder geändert werden. Hubertz sagt: «Aus fünf Jahren machen wir drei Monate.» Diese «Experimentierklausel» ist bis Ende 2030 befristet.
Außerdem werden - wo ein Bebauungsplan gilt - mehr neue Wohnungen auch über dessen Vorgaben hinaus möglich. Beispiel: Aufstockung oder Bauen in der zweiten Reihe soll in einer ganzen Straße leichter möglich sein.
Die Regeln zielen insbesondere auf Nachverdichtung ab. Statt Neubau auf der grünen Wiese am Stadtrand sollen freie Flächen in den Städten bebaut werden. Untersuchungen etwa des Bundesinstituts für Bauforschung (BBSR) hatten gezeigt: Neue oder sanierte Gebäude in Quartieren können Aufmerksamkeit erregen und als Impuls für Investitionen im Quartier dienen. Sinken sollen laut Hubertz die Kosten: «Bei heute üblichen Preisen von 5.000 Euro Baukosten pro Quadratmeter in Großstädten dürfen wir nicht bleiben.»
Linke: Mangel an Wohnungen «Skandal»
Inzwischen seit Jahren setzt der akute Mangel an bezahlbarem Wohnraum vor allem in Ballungsräumen die Regierungen unter Druck, ohne dass es spürbare Linderung gibt. «Es trifft längst die große Masse», sagte etwa der Linken-Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann am Vortag in seiner Antwort auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers. «Das ist der Skandal.»
400.000 neue Wohnungen pro Jahr hatte die Vorgängerregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen. Doch hohe Zinsen und Baukosten sowie zähe Genehmigungen führten dazu, dass das Ziel immer wieder spektakulär verfehlt wurde. 251.900 Wohnungen wurden 2024 fertiggestellt - so wenig wie seit 2015 nicht.