Update vom 15.05.2023, 12.30 Uhr: Pfleger wegen mehrfachen Mordes verurteilt

"Man denkt in keiner Sekunde sicherlich dran, dass ein Pfleger, der dafür zuständig ist, für die Heilung zu sorgen, dass der einen angreift", sagt der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann. "Es war sein Job, bei der Heilung zu helfen und er macht genau das Gegenteil und das auch noch im Krankenhaus." Das Landgericht München I hat einen Krankenpfleger wegen zweifachen Mordes und sechsfachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellt am Montag auch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen.

Der inzwischen 27 Jahre alte Deutsche habe "seine Ruhe, seine Bequemlichkeit über das Lebensrecht der Patienten gestellt", heißt es in der Urteilsbegründung. Der gelernte Altenpfleger, der als Krankenpfleger auf der Wachstation des Münchner Klinikums rechts der Isar gearbeitet hatte, hatte zu Prozessbeginn unumwunden eingeräumt, zwei 80 und 89 Jahre alte Patienten getötet und es bei drei weiteren versucht zu haben - bei zwei von ihnen mehrmals.

Das Motiv, das er angab, klang erschreckend banal: Er habe einen Kater gehabt und seine Ruhe gewollt. "Um seine Ruhe zu haben und nicht arbeiten zu müssen", habe er die Patienten ruhiggestellt, sagt Riedmann. Um "Zeit zu haben fürs Schlafen oder fürs Handyspielen". Er spricht von einem "Geständnis, das allerdings schon fast ein bisschen schaudern lässt".

Und schaudern musste er auch an anderer Stelle, wie er sagt, und gibt ein Zitat des Angeklagten wieder: Denn auf die Frage, wie es weitergegangen wäre, wären seine Taten nicht aufgeflogen, sagte der: "Ich hätte weitergemacht." Eine an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, verhängte das Gericht allerdings dennoch nicht. Riedmann begründet das unter anderem damit, dass der Angeklagte noch sehr jung sei, seine Taten bereue, keine Vorstrafen und eine lange Zeit im Gefängnis vor sich habe.

Das Gericht schließe sich dem angehörten Sachverständigen an, der "zwar eine große Gefahr, aber keine sehr große Gefahr gesehen hat", die künftig vom Angeklagten ausgehen könne. Die Kammer beschränkt sich somit auf ein lebenslanges Berufsverbot für alle Pflegeberufe. Als Alten- und Krankenpfleger wird der Mann, der im Prozess betonte, das auch gar nicht mehr zu wollen, nie wieder arbeiten dürfen: "An dem Verbot führt kein Weg vorbei."

Innerhalb der Kammer sei die Frage der Sicherungsverwahrung ein "Problem" gewesen, "das zu einigen Diskussionen geführt hat", räumt Riedmann ein. Der Forderung der Verteidiger nach der Unterbringung ihres Mandanten in einer Entziehungsanstalt kommt das Gericht nicht nach. Der Mann habe zwar in der Freizeit viel getrunken, zeige aber in Haft "keine Entzugssymptomatik".

Pfleger wollte Alkoholgeruch während Arbeit überdecken

Außerdem sei der Mann, der im Krankenhaus auffiel, weil er sehr viel Parfüm benutzte, um seine Alkoholfahne zu überdecken, bei der Arbeit nicht völlig betrunken, sondern in erster Linie verkatert gewesen. "Es war möglicherweise häufig so, dass er noch einen Kater hatte", sagt Riedmann. Aber: "Das Handeln im Katerzustand sehen wir nicht als Symptomtat an."

Sein Mandant sei "relativ zufrieden", dass er keine Sicherungsverwahrung bekommen habe, sagt Verteidiger Benedikt Stehle nach dem Urteil und kündigt an, "erstmal pro forma" Revision einlegen zu wollen. Der Angeklagte bereue die Taten, betont der Anwalt. "Es hat ihn die ganze Zeit schon sehr belastet, was er da getan hat."

Erstmeldung vom 14.05.2023, 11.45 Uhr: Pfleger spielte mit dem Handy, während seine Patienten starben

Vor dem Landgericht München I geht an dem kommenden Montag, dem 15. Mai 2023, der Prozess gegen einen Krankenpfleger zu Ende, der zwei seiner Patienten getötet und es bei noch mehr versucht haben soll.

Er sollte schwer kranke Patienten überwachen, doch stattdessen kurierte er seinen Kater aus, beschäftigte sich mit seinem Handy - und wenn die Patienten dabei störten, stellte er sie "ruhig". Mit tödlichen Folgen.

Zwei Morde, sechs Mordversuche: Urteilsverkündung steht bevor 

Der 26-Jährige hat all das vor Gericht, wo er wegen zweifachen Mordes und sechsfachen Mordversuchs angeklagt ist, eingeräumt - erschütternd deutlich und ungerührt: "Salopp gesagt habe ich einen Kater gehabt." Es sei nicht seine Absicht gewesen, dass jemand stirbt. Aber er habe immer vor seiner Schicht massenweise Alkohol getrunken und dann seinen Rausch ausschlafen wollen. "Da ich alkoholisiert war, gab es für mich nur die eine Option: Sie ruhigzustellen."

Laut Anklage spritzte der Mann den Patienten auf einer sogenannten Wachstation, einer Zwischenstation zwischen Intensiv- und normaler Station, Beruhigungsmittel, Adrenalin oder Blutverdünner. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung für den Angeklagten - und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Damit wäre eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen.

Seine Verteidigung forderte die Unterbringung in einer Entzugsklinik. Sie sprach sich gegen die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld ihres Mandanten und gegen die Sicherungsverwahrung aus. Auf eine konkrete Strafforderung verzichteten die Anwälte.

Der Fall erinnert an den als "Todespfleger" bekannt gewordenen Patientenmörder Niels Högel, den das Landgericht Oldenburg 2019 wegen Mordes in 85 Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt hatte. Er war in Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst als Krankenpfleger in der Intensivmedizin tätig und tötete dort nach Feststellung des Landgerichts insgesamt 85 Patienten, indem er ihnen medizinisch nicht indizierte Medikamente verabreichte.

Tötungsdelikte in der Pflege machen deutschlandweit immer wieder Schlagzeilen: Anfang Oktober 2020 hatte das Landgericht München I einen Hilfspfleger wegen Mordes an drei Patienten zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Mann aus Polen hatte alten Menschen, die er pflegen sollte, Insulin gespritzt, das als Überdosis tödlich sein kann.

2016 verurteilte das Landgericht München I eine Hebamme des Klinikums Großhadern wegen siebenfachen Mordversuches im Kreißsaal zu 15 Jahren Haft. Nach Überzeugung des Gerichts hatte die Frau Patientinnen bei Kaiserschnitt-Geburten heimlich Blutverdünner gegeben. Ohne Notoperationen wären sie gestorben.